Betriebe wünschen sich mehr Frauen im technischen Handwerk
Das Handwerk wirbt verzweifelt um Nachwuchs, denn jedes Jahr bleiben Tausende Ausbildungsstellen unbesetzt. Gezielte Kampagnen richten sich seit einigen Jahren auch an junge Frauen.
Anni Koch ist Handwerkerin - ihre Tage sind ein ständiges Auf und Ab. Heute geht es auf einer engen, knarrenden Treppe hinab in den Keller eines Mehrfamilienhauses im Hamburger Stadtteil Barmbek: "Da steht das gute Stück: die Heizung, die das ganze Haus heizt. Schalten wir das Gerät jetzt erstmal aus - sieht so weit alles normal aus."
Handwerkerin mit Herzblut
Was dann folgt, hat die 26-jährige Herzblut-Handwerkerin, wie sie sich selbst nennt, mittlerweile an die hundert Mal gemacht: Gashahn schließen, Haube öffnen, reinigen, messen, Anode vom Speicher tauschen, Membran-Ausdehnungs-Gefäß prüfen und so weiter. Eben alles, was zur Wartung einer Gasheizung dazugehört.
Anni Koch hat vor einigen Monaten ihre Meisterprüfung absolviert und ist nun Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik: "Das Vorurteil, dass Handwerk ein Männerberuf sei, hält sich hartnäckig. Aber mittlerweile gibt es auch einige Frauen."
"Kunden finden es cool, wenn eine Frau den Job macht"
In ihrem Betrieb, der Hamburger Firma Gehrke, war sie die erste weibliche Auszubildende und die Firma gibt es bereits seit 100 Jahren. Für die Kollegen sei das aber gar kein Problem gewesen, erzählt sie. Anni Koch kann sich an keinen einzigen blöden Kommentar erinnern. Nur einige Kunden müssten umdenken: "Es gibt Kunden, die fragen: "Kommt da noch jemand, also ein Mann?" Weil viele es einfach nicht kennen, dass das so ist. Aber die freuen sich dann, wenn der Job erledigt ist und finden es umso cooler, wenn das eine Frau gemacht hat."
Viele junge Frauen trauen sich Handwerk nicht zu
Viele Frauen, sagt Anni Koch, würden sich nicht trauen, ins Handwerk zu gehen. Die Zahlen bestätigen zumindest, dass es nur wenige tun: Im Jahr 2021 wurde nur etwa jeder fünfte neue Ausbildungsvertrag im Handwerk von einer Frau abgeschlossen. Am beliebtesten sind die Berufe Friseurin, Fachverkäuferin für Lebensmittel und Kauffrau für Büro-Management. Im Bereich "Ausbaugewerbe", zu dem auch Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik zählen, lag der Frauenanteil gerade einmal bei 6,7 Prozent.
Es fehle an Vorbildern, meint Anni Koch. Und einige Frauen glaubten auch, dass sie bestimmte Aufgaben körperlich nicht schafften: "Früher war es mal richtig schwere körperliche Arbeit. Man musste zum Beispiel schwere Badewannen und Heizkörper von gut und gerne mal 200 Kilo tragen können."
Familienfreundliche Arbeitszeiten sind attraktiv
Die junge Meisterin sieht in ihrem Beruf vor allem viele Vorteile. Zum Beispiel ist um 16.15 Uhr Feierabend, danach kann sie sich um ihr Pferd kümmern. Die Arbeitszeiten seien familienfreundlich und die Bezahlung von etwa 3.000 Euro brutto stimmt für sie auch. "Ich konnte mir nie vorstellen, einen Bürojob zu machen. Und unser Handwerk ist ja recht vielfältig: Wir sind im Bereich Klima tätig - also Lüftung, Heizung, dann im Sanitärbereich, wir bauen auch Bäder. Und man hat diesen großen Vorteil: Am Ende des Tages weiß man, was man gemacht hat."
Weiterbildung nach dem Meisterbrief
Ihre Tage enden momentan allerdings oft spät: Kaum, dass sie den Meisterbrief in der Tasche hat, folgt die nächste Weiterbildung. Zurzeit besucht sie mehrmals die Woche eine Abendschule, um Betriebswirtin für das Handwerk zu werden. Irgendwann kann sie sich vorstellen, den Betrieb zu übernehmen - dann wäre sie nach mehr als 100 Jahren die erste Frau an der Spitze der Firma Gehrke.