Eine Studentin hält ein Buch über das Erasmus-Programm und Informationsbroschüren über Auslandspraktika in den Händen. © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene
Eine Studentin hält ein Buch über das Erasmus-Programm und Informationsbroschüren über Auslandspraktika in den Händen. © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene
Eine Studentin hält ein Buch über das Erasmus-Programm und Informationsbroschüren über Auslandspraktika in den Händen. © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene
AUDIO: Handwerk: Auslandspraktika für Azubis mit Erasmus Plus (3 Min)

Geförderte Auslandspraktika für Azubis sind vielen unbekannt

Stand: 25.01.2023 12:27 Uhr

Jedes Jahr nutzen Tausende Studierende das Erasmus-Programm der EU, um ein Uni-Semester im europäischen Ausland zu verbringen. Was viele nicht wissen: Auch für Azubis gibt es ein ähnliches Programm: Erasmus+.

von Wiebke Neelsen

Jennifer Bockelmann während ihres Auslands-Praktikums in Sevilla © Jennifer Bockelmann Foto: Jennifer Bockelmann
Für Jennifer Bockelmann war der Auslandsaufenthalt das Sahnehäubchen bei ihrer Ausbildung

Mit Erasmus+ können auch Lehrlinge eine Zeit lang im Ausland leben und arbeiten - finanziell gefördert von der Europäischen Union. Azubi Jennifer Bockelmann hat an dem Programm teilgenommen, sie ist angehende Orthopädietechnik-Mechanikerin und steht kurz vor ihrer Abschlussprüfung. In einem Sanitätshaus in der Nähe von Hannover hat die 21-Jährige ihren Schwerpunkt auf den Bau und die Anpassung von Prothesen gesetzt. Dass ihre Hamburger Berufsschule Auslandsaufenthalte innerhalb der Lehre anbietet, war für Bockelmann ein zusätzliches Sahnehäubchen bei ihrer Berufswahl: "Die Idee, dass ich ins Ausland will, hatte ich schon vor dem Abi. Aber dann kam Corona und es ist erstmal nicht dazu gekommen. Dann habe ich mich für die Ausbildung beworben und auf der Internetseite meiner Schule das Angebot des Erasmus-Projekts gesehen. Da habe ich mich dann beworben."

Für vier Wochen nach Sevilla

Eine Beinprothese, die Jennifer Bockelmann während ihres Auslands-Praktikums in Sevilla angefertigt hat © Jennifer Bockelmann Foto: Jennifer Bockelmann
Während des Auslands-Praktikums hat sie viel gelernt, wie das Fertigen dieser Unterschenkel-Prothese.

Gut ein Dreivierteljahr vorher fing sie an, alle Unterlagen für die Bewerbung zusammenzusammeln und unter anderem ein Motivationsschreiben zu verfassen. Es hat geklappt: Sie hat ein Stipendium bei Eramus+ bekommen und konnte damit vier Wochen in einem Betrieb im spanischen Sevilla verbringen. Untergebracht war sie in einer Vierer-WG mit Stipendiatinnen aus anderen Ausbildungsberufen, berichtet Jennifer Bockelmann: "Ich fand es sehr cool, mal im Ausland zu sein und das nicht als Tourist. Wir haben in einem Apartment in einer normalen Wohngegend, wo nur Einheimische wohnen, gewohnt. Da hat man so richtig den Alltag mitbekommen."

Der größte Unterschied bestand, wie sie sagt, in den Arbeitszeiten mit einer dreistündigen Mittagspause und dafür längeren Arbeitstagen bis in den Abend. Auch einige Verarbeitungstechniken waren neu für sie. Ihr Schul-Spanisch hat allerdings nicht so viel gebracht, da der Dialekt in Sevilla doch etwas anders ist. Aber der Betriebsleiter konnte ganz gut Englisch und auch Orthopädie-Fachenglisch, da er selbst mal drei Monate in London verbracht hatte.

Vorurteile und Ängste werden abgebaut

Eingeführt wurde das neue Programm Erasmus+, das neben Studienaufenthalten auch den beruflichen Austausch umfasst, im Jahr 2014, als Nachfolger des ähnlichen Projekts "Leonardo da Vinci". Für die Organisation "Arbeit und Leben" in Hamburg koordiniert Marlene Lecamus das Programm. "In unserer aktuell wilden Zeit zunehmender Internationalisierung und Flexibilisierung in allen Lebensbereichen sind Auslandspraktika ein Schlüssel, um diesen Veränderungen gewachsen zu sein. Außerdem verbessern die Auszubildenden ihre Arbeitsmarktchancen. Vorurteile und Ängste werden abgebaut und sie reflektieren dadurch auch die Lebens- und Ausbildungsbedingungen in Deutschland."

Budget für Erasmus+ wurde verdoppelt

Das Budget für Erasmus+ wurde mit knapp 28 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2027 gerade erst verdoppelt - gegenüber dem Zeitraum davor. Daraus werden unter anderem die Stipendien für Reise-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten finanziert: In Jennifers Fall waren das insgesamt gut 1.800 Euro.

Bewährte Kooperation zwischen Firmen und Berufsschulen

Pro Jahr werden aus Hamburg etwa 500 junge Leute über das EU-Förderprogramm unterstützt, darunter ungefähr 70 aus Handwerksberufen. Bundesweit waren es im Jahr 2021 fast 8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer - vor Corona sogar bis zu 27.000 jährlich. Grundlage, so Lecamus, sei eine schon bewährte Kooperation mit Firmen und Berufsschulen: "Da gibt es bestimmte Knowhows, zum Beispiel lernen die Auszubildenden in Dänemark Hockerpolsterung oder Holzvergoldung."

Insgesamt viermal im Jahr organisiert sie für "Arbeit und Leben" Gruppen-Aufenthalte wie den von Jennifer Bockelmann in Sevilla: "Wir gehen individuell auf die Wünsche der Betriebe, der Schulen und der Auszubildenden ein. Es gibt wirklich viele Möglichkeiten."

Weitere Informationen
Benjamin Klemann (stehend) mit seinen Angestellten in der Werkstatt seines Maßschuh-Geschäft Klemann Shoes in Hamburg © NDR Foto: Wiebke Neelsen

Handwerk: Mit Maßschuhen gegen Nachwuchssorgen

Schuhmacher und Auszubildende in dem Beruf gibt es immer weniger. Dass es auch anders geht, zeigt ein Betrieb aus Hamburg. mehr

Tischlermeister Nils Grimm (links) zusammen mit seinem Mitarbeiter Ali Alijani in seiner Tischlereiwerkstatt © NDR Foto: Astrid Kühn

Fachkräftemangel: Tischlermeister will neue Wege gehen

Weil Tischlermeister Nils Grimm Mitarbeiter fehlen, will er als Arbeitgeber attraktiver werden und die Vier-Tage-Woche einführen. mehr

Anni Koch, Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik, beim Warten einer Gasheizung © NDR Foto: Ines Burckhardt

Betriebe wünschen sich mehr Frauen im technischen Handwerk

Anni Koch hat Anlagenmechanikerin gelernt und arbeitet gern in dem Beruf. Noch eine Seltenheit bei Frauen. mehr

Werkzeuge zur Holzverarbeitung liegen auf einem Tisch. © KPA/Rosendahl

Serie zum Handwerk: Ideen und Lösungen in der Nachwuchskrise

Im Handwerk gibt es weit über 150.000 offene Stellen. Nachwuchs ist nur mit viel Initiative zu gewinnen. Reportagen aus Norddeutschland. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wirtschaft | 27.01.2023 | 07:41 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Handwerk

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine Frau hält ein Smarthphone in die Kamera, auf dem Display steht "#NDRfragt" © PantherMedia Foto: Yuri Arcurs

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Mehr Nachrichten

Polizeifahrzeuge stehen am Weihnachtsmarkt vor dem Hamburger Rathaus. © picture alliance / ABBFoto

Anschlag in Magdeburg: Mehr Polizei auf Weihnachtsmärkten im Norden

Die Sicherheitsmaßnahmen auf norddeutschen Märkten sollen überprüft werden. Niedersachsens Ministerpräsident Weil sagte, hundertprozentigen Schutz gebe es nicht. mehr