Bauernproteste: Wohin steuert Agrarminister Özdemir?
Mehr Bio und eine nachhaltigere Tierhaltung: Mit diesen Zielen ist Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) angetreten. Wie schaut ein Landwirt aus Niedersachsen auf ihn?
Schweinemäster Bernhard Barkmann bewirtschaftet einen konventionellen Betrieb im Emsland im Westen Niedersachsens. Seine Tiere hält er im Stall auf Betonboden, so wie die große Mehrheit der Schweinehalter in Deutschland. Für die politischen Rahmenbedingungen, unter denen er arbeitet, trägt seit zwei Jahren der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Verantwortung. Landwirt Barkmann, der selbst Mitglied der CDU ist, schaut kritisch auf die Arbeit des Ministers.
Landwirt sorgt sich um Wettbewerbsfähigkeit
Der 51-jährige Mäster hat große Sorge, dass die ökologischen Ziele des Grünen-Politikers dazu führen, dass konventionelle Höfe in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Er fürchtet, Özdemir unterstütze vor allem Bio-Höfe. Doch der Bundeslandwirtschaftsminister sagt im Interview mit dem ARD Magazin Panorama, er sei der Landwirtschaftsminister von allen, nicht der großen oder kleinen Höfe, nicht von konventionell oder bio.
Özdemir als Minister der Mitte
Immer wieder zeigt Özdemir sich als Minister der Mitte. Während die Bauern gegen die geplante Rücknahme klimaschädlicher Vergünstigungen protestierten, stellte sich Özdemir an ihre Seite. "Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", erklärte er auf einer Großdemo in Berlin. Kurz darauf nahm die Bundesregierung einen Teil der geplanten Kürzungen zurück.
Der Agrarexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Martin Hofstetter, meint, der Minister scheue bei drängenden Problemen jeden Konflikt. Angetreten war Özdemir eigentlich mit dem Ziel, die Landwirtschaft nachhaltiger aufzustellen.
Agrarforscher fordert weniger Nutztiere
Doch davon sei er weit entfernt, sagt der Agrarwissenschaftler Matin Qaim von der Universität Bonn. Bisher sei politisch herzlich wenig passiert. Qaim fordert, für den Klimaschutz endlich die Zahl der Nutztiere zu reduzieren. Dafür müsse man den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten weiter senken, so Qaim, und zum Beispiel die Reduzierung der Mehrwertsteuer für tierische Produkte streichen.
Reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Fleisch anheben?
Landwirtschaftsminister Özdemir entgegnet, dafür gebe es keine politischen Mehrheiten. Ob sich daran nun nach den Bauernprotesten etwas ändert, scheint ungewiss. Zumindest wird über diesen und ähnliche Vorschläge nun wieder diskutiert. Özdemir weist darauf hin, dass er immerhin eine Milliarde Euro zum Beispiel für bessere Ställe organisiert habe. Wissenschaftler und Agrarbranche halten das allerdings für viel zu wenig.
Auch Landwirt Bernhard Barkmann fehlt für größere Veränderungen an seinem Stall aktuell die Planungssicherheit. Und wenn er weniger Tiere halte, bedeute das für ihn erst einmal auch ein geringeres Einkommen, so Barkmann.
Herausforderungen: Veränderungsmüdigkeit und Polarisierung
Özdemir räumt im Panorama-Interview durchaus ein, dass es schwierig sei, die nötigen Veränderungen umzusetzen. Die größte Herausforderung sei, mit wenig Geld, mit dem Krieg in der Ukraine und mit einer Veränderungsmüdigkeit in der Gesellschaft, mit einer Polarisierung zwischen Stadt und Land trotzdem Veränderungen hinzubekommen, so Özdemir.
Aber genau deshalb müsse der Minister seine Ziele auch mit Mut umsetzen, sagt Agrarwissenschaftler Qaim, nicht alles werde populär sein, aber das Wichtigste sei ja, dass alle Planungssicherheit hätten.
In diesem Punkt würde auch Schweinemäster Bernhard Barkmann mitgehen, denn bislang verbindet er mit dem grünen Minister vor allem Unsicherheit. Der niedersächsische Landwirt wünscht sich, dass Özdemir den Nebel lichte, damit er sich darauf einstellen könne, wie es in Zukunft weitergehen wird.
Über dieses Thema berichtet Panorama heute Abend ab 21.45 Uhr im Ersten - oder schon ab 18 Uhr in der ARD Mediathek.