"Awareness-Teams" und "Saferspaces": Clubs stoßen an Grenzen
Durch "Awareness-Teams" und Schutzbereiche soll Frauen künftig ein besserer Schutz bei Konzerten geboten werden. Im Zuge der Rammstein-Debatte hatte Bundesfamilienministern Lisa Paus diese "Safe Spaces" gefordert. Neu ist die Idee nicht. Ein Besuch bei Veranstaltern in Hamburg, die bei dem Thema an Grenzen stoßen.
Riesige Waschbecken links an der Wand, zwei Grillroste vorne rechts, in der Mitte Bierzapfsäulen. Eine typische Imbissbude im Millerntor-Stadion eben - normalerweise. Momentan sind die Jalousien des Raumes dicht. Alles ist geputzt, getrocknet, geruchlos. Die Basis für Neues - den "Awareness-Raum".
"Eine Liege kommt noch rein, verschiedene Sitzmöglichkeiten und es wird ein paar Snacks geben", erklärt Gero Graas. Außerdem werde der Raum noch ein wenig ausgeleuchtet, damit das Licht nicht so kalt sei.
Imbissbude als "Awareness-Raum" beim Festival Millerntor Gallery
Das Ganze ist für das Musik-, Kunst- und Kultur-Festival Millerntor Gallery geplant. Gero Graas ist einer von zwei Produktionsleitern. Er erzählt, die Idee mit der Imbissbude als "Awareness-Raum" sei aus der Not heraus entstanden. Der Raum befinde sich bewusst abseits, sagt Gero Graas. So habe man die Möglichkeit, Personen einzeln dorthin zu eskortieren. Ansonsten befänden sich im Inneren des Stadions vor allem Büroräume, die benutzt würden. Es gehe im Prinzip darum, kurzfristig Räume umzufunktionieren. Clubs hätten da nur begrenzte Möglichkeiten.
"Keine Veranstaltung kann maximal sicher sein"
Vom Begriff "Safe Space" hält Gero Graas nichts. "Keine Veranstaltung kann maximal sicher sein, es kann immer was passieren", sagt er. Dass sich alle gleich sicher fühlen - dafür soll "Awareness" - das Bewusstsein dafür - sorgen. "Wenn über 'Awareness' mehr geredet wird, dann macht das die Veranstaltung an sich schon viel sicherer, weil: Die Leute gucken nicht so schnell weg. Gleichzeitig hat das natürlich auch eine abschreckende Funktion. Weil die Leute dann mehr merken: Ok, hier wird halt wirklich drauf geachtet!"
Ein mobiles Team mit erkennbarem Logo, einen Infopoint als festen Anlaufpunkt, Plakate auf den Toiletten - die Liste des "Awareness-Konzepts" ist lang. Und erstmals verschriftlicht - wie ein Sicherheitskonzept - nur ohne Vorlage. Auch für die Millerntor-Gallery ist das Neuland. Sie probierten es einfach aus, sagen sie.
Digitale Anwendung soll Clubs die Arbeit erleichtern
Ortswechsel. Ein paar Hundert Meter weiter. Leah-Marie Rott steht auf der Großen Freiheit. Das Handy in der einen Hand, ihren Hund an einer langen Leine. Noch ist es vergleichsweise ruhig, es ist Vormittag. Getränkelieferanten kommen und gehen. Je mehr "Awareness-Konzepte", desto mehr Arbeit gibt es für die 35-Jährige aus Kiel. Sie steckt als eine von Dreien hinter einer digitalen Anwendung für genau solche Konzepte. "Saferspaces" heißt diese. Sie soll vor allem eins sein: niedrigschwellig. Wichtig sei, "dass man nicht selbst auf eine Person zugehen muss, sondern dass man diese anonyme Möglichkeit hat zu melden: Es gibt hier eine gewaltsame Auseinandersetzung." Nicht, um anzuklagen, sondern um sich selbst oder Betroffenen zu helfen, betont Leah-Marie Rott.
QR-Codes auf Plakaten der Veranstalter
Das Ganze funktioniert mithilfe von QR-Codes. Diese gibt es unter anderem auf Plakaten bei den Veranstaltern, die Kunden bei "Saferspaces" sind. Darunter ist das Molotow in Hamburg. Das erste Plakat hängt bereits an der Fensterscheibe, neben dem Eingang.
Scannt ein Gast einen der QR-Codes, geht auf dem Smartphone des Teamleiters über eine App der Alarm los. Dann könne in diesem Moment eine Kommunikation stattfinden - auch anonym. Dann könnten Vorfälle angegangen werden. Eine Dienstleistung, die kostet. Das Molotow 25 Euro pro Monat. Je kleiner der Club, desto günstiger ist es.
Auch Reeperbahn Festival und Kieler Woche dabei
Das Reeperbahn Festival und die Kieler Woche seien aufgesprungen. Fußballvereine hätten angefragt. Aber nur eine Handvoll Clubs im Norden seien bisher dauerhaft Kunden bei der Initiative - trotz größerer Nachfrage. Das Problem: "Saferspaces" setzt voraus, dass der Veranstalter geschultes Personal und einen Rückzugsort für Betroffene liefert. Ein "Awareness-Konzept" eben. "Wir geben unglaublich viel bei Veranstaltungen für Sicherheitskonzepte aus", erklärt Leah-Marie Rott. "Trotzdem muss ins Bewusstsein kommen, dass Sicherheit da nicht aufhört und es auch finanzielle Mittel braucht, um diesen Aspekt von 'Awareness' mitzudenken und auch zu finanzieren. Das sollte nich auf ehrenamtlicher Arbeit basieren."
Veranstalter sehen Politik in der Pflicht
Vier Wochen haben Gero Graas und sein Team Zeit für den Aufbau des Festivals Millerntor Gallery. Das "Awareness-Konzept" starte bereits eher, es sei fast fertig. Auch in seinem Team: nur Ehrenamtliche. Ohne die würde es nicht gehen, sagt er. Veranstalter sollten die Verantwortung nicht abgeben, nur langfristig brauche es mehr. "Da ist der Gesetzgeber in der Pflicht nachzuziehen", fordert er. "Am Ende sind wir alle Teil des Ganzen. 'Awareness' fängt nicht an der Tür der Versammlungsstätte an und hört da nicht auf. Am Ende muss auch jede Kneipe ein 'Awareness-Konzept' haben und am besten auch jeder Supermarkt!"
Auf NDR Info Anfrage teilte die Sozialbehörde in Hamburg mit, der Senat werde sich demnächst damit auseinandersetzen, wie verbindliche Awareness-Konzepte vorgelegt werden können.