Arbeiten mit Behinderung: Elke Paatz zeigt, wie es geht

Stand: 03.12.2022 07:00 Uhr

Der "Internationale Tag der Menschen mit Behinderung" soll die Belange von Menschen mit Einschränkungen in den Fokus stellen. Doch wie gut werden sie in den Arbeitsmarkt integriert? Elke Paatz aus Brunsbüttel zeigt, dass es mit großem Willen klappen kann.

von Astrid Kühn

Elke Paatz arbeitet im Homeoffice - als Inklusionsbeauftragte des Deutschen Seglerverbands. Die Leidenschaft für den Sport trägt die 31-Jährige seit ihrer Kindheit in sich. Sie habe alles mit Bewegung geliebt: Leichtathletik und Fußball zum Beispiel. Deswegen habe sie sich auch für ein Sportstudium entschieden. Doch dann kam alles anders: Seit einem Unfall während ihres Studiums vor sechs Jahren kann Elke Paatz fast nur noch liegen.

Nach wie vor große Begeisterung für den Sport

Elke Paatz, Inklusionsbeauftragte des Deutschen Seglerverbands, liegt auf einem Bett und arbeitet am Laptop. © NDR Foto: Astrid Kühn
Elke Paatz hat für sich die optimale Lösung gefunden, wie sie trotz der Einschränkungen ihrer Arbeit nachgehen kann.

Die wenigsten Menschen kommen mit einer Behinderung zur Welt. Etwa 90 Prozent der Behinderungen entstehen durch Unfälle oder Krankheiten im Laufe des Lebens. Elke Paatz ist die Begeisterung für den Sport trotz ihres Unfalls geblieben - und diese Leidenschaft konnte sie mittlerweile sogar zu ihrem Beruf machen. Das ist keine Selbstverständlichkeit: Menschen mit Behinderung sind immer noch deutlich häufiger arbeitslos und auch länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderung.

Elke Paatz ist es wichtig, dass sie kein Pflegebett braucht. Sie arbeitet von einer Couch mit drei Matratzen aus, in einem Zimmer in ihrem Elternhaus im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel. Von dort ist sie verbunden mit ihrem eigentlichen Arbeitsort in Hamburg, der Geschäftsstelle des Deutschen Segler-Verbands.

Angst vor der Reaktion im Bewerbungsgespräch

Für Elke Paatz war nach dem Unfall schnell klar, dass sie wieder arbeiten will. In das Bewerbungsgespräch ging sie aber mit großer Besorgnis: "Ich hatte vorher nicht nur positive Erfahrungen gemacht und tierische Angst, dass das Gespräch vorbei ist, wenn ich mein Handicap anspreche." Dabei habe sie für sich gewusst, dass die beim Segler-Verband ausgeschriebene Stelle ihr Traumjob ist.

Die Befürchtung, dass ihr die Behinderung dabei im Weg stehen könnte, kommt nicht von ungefähr: Mehrfach hatte Elke Paatz nach dem Unfall hören müssen, dass sie wohl nie wieder arbeiten können würde. Eine pauschale Feststellung, die sie hart traf.

Elke Paatz, Inklusionsbeauftragte des Deutschen Seglerverbands, lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Astrid Kühn
AUDIO: Arbeiten mit Behinderung: Im Mittelpunkt steht, was Elke Paatz kann (4 Min)

Unternehmen zahlen lieber Strafe, als die Quote zu erfüllen

Doch Elke Paatz ging gut vorbereitet in das Gespräch: "Ich habe mir eine Überzeugungsstrategie geschrieben, einen ganzen DIN-A4-Zettel hatte ich mir zurechtgelegt." Doch die Reaktion des Geschäftsführers auf ihre Behinderung fiel völlig anders aus als erwartet: Das sei egal, man finde eine Lösung, hieß es da.

Das ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit oder gar Alltag: Viele Unternehmen zahlen lieber eine Strafe, als eine Quote zu erfüllen, die vorschreibt, auch Menschen mit Behinderungen einzustellen. Elke Paatz war wegen der Reaktion in ihrem Gespräch komplett baff und positiv überrascht. Den Zettel mit der Überzeugungsstrategie warf sie daraufhin schnell in den Mülleimer.

Segelvereine suchen Lösungen für Menschen mit Behinderungen

Seitdem hilft die Inklusionsbeauftragte des Segler-Verbandes den Vereinen dabei, Menschen mit Behinderung wieder aufs Wasser zu bringen. Der Segelsport sei dafür prädestiniert: Durch Anpassungen am Boot können körperliche Einschränkungen ausgeglichen werden. Selbst ab der Hüfte abwärts gelähmte Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer werden unterstützt. Die Frage sei nicht, was ein Mensch nicht könne: "Diesen Ansatz haben unsere Vereine für inklusives Segeln nicht. Sie fragen sich stattdessen: Was braucht dieser Mensch, damit er segeln kann?"

Dank "Robbi" im Büro und bei Messen mit dabei

Ihren Ehrgeiz und ihr Sportlerherz merkt man Elke Paatz an. Deswegen wollte sie für ihren Arbeitgeber auch voll einsetzbar sein. Eine Herausforderung war es, auch auf Messen mit dabei zu sein. Sie googelte tagelang nach einer Lösung, bis sie schließlich eine Möglichkeit fand: ein kleiner Telepräsenz-Roboter, der einem Segway ähnelt und auf dem im oberen Teil ein Tablet montiert ist.

Mithilfe dieser Technik kann sich die Angestellte des Verbandes "virtuell" im Raum bewegen und real mit anderen Menschen kommunizieren. Bis das zuständige Amt die Anschaffung des für die so hilfreichen mobilen Roboters bewilligte, sei es aber ein langer Weg gewesen. Über den positiven Ausgang freut sie sich umso mehr: "Das ist für mich unfassbar toll, dass ich dabei sein kann und dass ich meinen Job überall ausüben und unterstützen kann."

"Das ist wirklich so, als wäre sie hier"

Auf einem auf einem Segway montierten Smartphone, das in einem Raum mit einem Segelboot im Hintergrund steht, ist Elke Paatz, Inklusionsbeauftragte des Deutschen Seglerverbands, zu sehen. © NDR Foto: Astrid Kühn
Dank "Robbi" ist Elke Paatz überall mit dabei. Beim Amt musste sie aber lange für die Bewilligung der technischen Hilfe kämpfen.

Für ihre Kolleginnen im Segler-Verband in Hamburg ist die Zusammenarbeit ganz selbstverständlich. Dank "Robbi" können sie etwa alle gemeinsam an einem Tisch sitzen und Projekte besprechen. Elke Paatz kann sich mit "Robbi" frei bewegen, sodass zum Beispiel alle auf denselben Bildschirm gucken können. Ihre Kollegin Sandra Zander ist beeindruckt von dem, was die Schleswig-Holsteinerin "aus der Ferne" im Job leistet: "Qualitativ, quantitativ - das ist wirklich so, als wäre sie hier bei uns."

Weniger Vorurteile und mehr Fördermöglichkeiten nötig

Das fühlt sich auch für Elke Paatz auf ihrem "Arbeitsplatz"-Bett in Brunsbüttel so an: "Manchmal denke ich abends, dass ich tagsüber in Hamburg war. Aber dann sage ich mir: 'Elke, Du bist doch bescheuert. Natürlich warst Du nicht in Hamburg.' Aber ich habe dann das Gefühl."

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und die Aktion Mensch kommen zu dem Schluss, dass noch mehr Vorurteile beim Thema "Arbeiten mit Behinderung" abgebaut werden müssen. Es brauche außerdem noch weitere Fördermöglichkeiten zur Finanzierung von behindertengerechten Arbeitsplätzen.

Elke Paatz kann dem nur beipflichten: Dank ihres Telepräsenz-"Robbis", aber auch dank der Kolleginnen und Kollegen sowie nicht zuletzt ihrer großen Kraft und Motivation klappt es für sie, den Job zu machen, den sie gut kann und mag.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 02.12.2022 | 06:40 Uhr

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