Agroforst: Tierhaltung auf der größten Streuobstwiese von SH
Das Klima wandelt sich, die Landwirtschaft sucht nach neuen Wegen. In Rendswühren wird auf einem Hof deshalb gerade das System Agroforst eingeführt: Tierhaltung und Ackerkultur auf einem Boden. Dabei entsteht die größte Streuobstwiese Schleswig-Holsteins.
Böden, die wegen des geringen oder ganz ausbleibenden Niederschlags staubtrocken sind. Hitzeperioden, die den Nutztieren auf den Weiden zusetzen. Dazu immer weiter zunehmende Bodenerosion durch plötzliche und gleichzeitig heftige Winde. Das alles führt in der Landwirtschaft zu Existenzängsten. Wie kann klimastabile Landwirtschaft aussehen? Wie lässt sich eine hohe Biodiversität gestalten und Bodenfruchtbarkeit steigern? Und alles bei einem effizienten Umgang mit Wasser? Die Antwort könnten Agroforste sein, eine Mischung aus Ackerkultur und Tierhaltung.
Nachhaltige Landnutzung: Rot- und Damwild unter Obstbäumen
Im schleswig-holsteinischen Rendswühren entsteht gerade so ein Beispiel nachhaltiger Landnutzung. Dort gibt es das Kultur-, Bildungs- und Erlebniszentrum Hof Viehbrook, mit viel Dam- und Rotwild. Das Ehepaar Rahe, das den Hof betreibt, pflanzt auf etwa sieben Hektar Land Schleswig-Holsteins größte Streuobstwiese.
Weil immer noch Pflanzzeit ist, werden dort zurzeit für Jungbäume viele Löcher ausgehoben. 630 Bäume werden hier gepflanzt. Es sind 51 alte Obstbaum-Sorten. Eine Hälfte Apfelbäume, die zweite Hälfte setzt sich aus Kirsch- und Birnenbäumen zusammen. "Die noch zarten Pflanzen können sich in nächster Zeit erstmal setzen, Kapillare bilden und im Frühjahr beim Wachstum durchstarten", sagt Landwirt Christian Rahe. Dreibeine aus dauerhaftem Robinienholz sind mit Maschendraht umwickelt und schützen den jungen Stamm vor Wild-Biss, wenn hier bald die Rudel aus Dam- und Rotwild grasen.
Durch den Agroforst entsteht ein neues Ökosystem
Kirsten Voß-Rahe sagt zufrieden: "Hier entsteht ein komplett neues Ökosystem. Mit Bäumen, die den Tieren Schatten spenden und das Austrocknen der Böden verhindern und Anlaufpunkt für viele Insekten, vor allem Bienen sind." Die Baumwurzel werden unter die Grasnarbe wachsen und so in tieferen Bodenregionen Nährstoffe erschließen und durch die Blattmasse nach oben ziehen. Außerdem bietet die Bepflanzung zusätzlich Schutz vor Erosion und Verdunstung. "Das schafft eine Vielfalt an Vorteilen", so Voß-Rahe. Die Wiese sei wie eine Insel, die zum Nachmachen anregen soll.
Denn darum geht‘s auch bei dem mit Bundesmitteln geförderten Projekt zur Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel: beispielgebend zu sein, wo sonst doch oft Ertrag und Kosten im Vordergrund stehen. Sie selbst hätten die Auswirkungen des Klimawandels erlebt, hätten ihr Wild bei Hitze und Trockenheit leiden sehen. "Da kommt man ins Grübeln", sagt Christian Rahe. "Wie wollen wir den Klimawandel aufhalten, wenn wir alles so lassen, wie es ist? Dann kommen wir ja nicht so richtig weiter in dieser ganzen Angelegenheit. Also schaffen wir jetzt ein Beispiel, das zum Nachdenken anregen soll, wo Leute sich eine Idee holen können. Es muss ja gar nicht so groß sein, wie wir es hier machen. Es kann auch im Kleinen anfangen."
Nachhaltige Landwirtschaft gibt es schon in der Rinderhaltung
Christian Moschner ist Agrarwissenschaftler und forscht an der Uni Kiel zum Thema Agroforst. Er ist überzeugt, dass dieses Prinzip ein guter Weg für die Landwirtschaft ist. "Das System wird zum Beispiel jetzt schon in der Rinderhaltung eingesetzt. Unter anderem, um so die Windgeschwindigkeit zu minimieren und den Tieren Schutz zu bieten." Zudem werde durch mehr Beschattung die Feuchtigkeit im Boden gehalten und so die Güte der Ackerfläche erhalten.
Tiere und Ackerfrüchte auf einem Feld erscheinen auf den ersten Blick wie Landwirtschaft früherer Zeiten. Doch Christian Moschner erklärt: "Der Blickpunkt hat sich im Vergleich zur Vergangenheit gewandelt. Man hat erkannt, dass es wichtig ist, die Flächen zu erhalten." Früher sei es beim Anbau von Streuobst oder Bäumen hauptsächlich um die Biomasse gegangen - also entweder das Holz oder die Früchte. Jetzt gehe es um Nachhaltigkeit.