Treckerdemo: Wütende Bauern protestieren gegen Kürzungen
Gegen die von der Bundesregierung geplante Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft geht der Protest weiter. Tausende Landwirte fanden sich in Berlin ein - zu einer Demonstration unter dem Motto "Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss".
Vor dem Brandenburger Tor kamen auch weit mehr als tausend Landwirte aus Norddeutschland zusammen. "Müsst ihr erst hungern, bevor ihr es versteht?", stand auf einem Protestschild von Bauern aus der Region Lüchow-Dannenberg. Allein aus Niedersachsen hatten sich laut einer Sprecherin des Landvolkes mehr als 1.500 Landwirte auf den Weg gemacht, viele von ihnen mit dem eigenen Trecker. Aus Mecklenburg-Vorpommern wollten rund 400 Landwirte an der Kundgebung in Berlin teilnehmen. Auch aus Schleswig-Holstein waren Bauern dabei. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hatte zu der Demo aufgerufen. Nach Polizeiangaben nahmen in der Spitze insgesamt bis zu 6.600 Menschen teil - demnach standen bis zu 1.700 Traktoren auf der Straße des 17. Juni. Der Bauernverband sprach von 3.000 Traktoren und 8.000 bis 10.000 Teilnehmenden.
Bauern-Präsident kündigt "sehr heißen Januar" an
DBV-Präsident Joachim Rukwied kritisierte die geplante Streichung von Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft. "Wir nehmen das nicht hin", sagte er bei der Kundgebung in Berlin. Dies sei "eine Kampfansage", und diese nehme man an. Wenn die Bundesregierung die unzumutbaren Vorschläge nicht zurücknehme, würden Landwirte mit weiteren Protesten dafür sorgen, dass es "einen sehr heißen Januar" geben werde.
Özdemir: Mindestens eine der Belastungen zurücknehmen
An der Demo in Berlin nahm auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir teil. "Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", sagte der Grünen-Politiker. Er habe in der Regierung davor gewarnt, den steuervergünstigten Agrar-Diesel und die Kfz-Steuer-Befreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge abzuschaffen. "Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt", sagte Özdemir. Seine Rede wurde mehrfach von Pfiffen und "Ampel weg"-Rufen unterbrochen. Im "heute journal" im ZDF sagte Özdemir später, er wolle, dass zumindest eine der beiden geplanten finanziellen Belastungen für die Landwirte wieder zurückgenommen wird. Er selbst suche nach Wegen, das einzusparende Geld dann auf andere Weise aufzubringen.
Landvolk: Können nicht einfach von Diesel auf Elektro umstellen
Man sei empört darüber, dass sich die Regierung "fast nur" die Landwirtschaft als Bereich, in dem besonders gekürzt werden soll, ausgesucht habe, sagte der Präsident des niedersächsischen Landvolks, Holger Hennies, am Montag im Interview bei NDR Info. "Obwohl wir unsere Klimaziele eingehalten haben, obwohl wir auch nicht einfach den Trecker von Diesel auf Elektro umstellen können", sagte Hennies. Ein durchschnittlicher Betrieb bei ihm in der Region verliere um die 10.000 Euro allein durch die Änderungen bei der Energiesteuer. Für viele Betriebe sei das das Signal, dass sie im Wettbewerb deutlich schlechter gestellt werden als ihre europäischen Nachbarn.
Preiserhöhungen bei Lebensmitteln erwartet
Die Subventionsstreichungen würden nach Ansicht von verschiedenen Landwirtschaftsverbänden Lebensmittel noch teurer machen, berichtet die NDR Info Wirtschaftsredaktion. Allerdings verkaufen die wenigsten Landwirte ihre Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher. Preiserhöhungen müssten also erst einmal bei Großhändlern, beziehungsweise den Supermarktketten durchgesetzt werden. Das werde nicht einfach, zumal etliche Produkte auch im Ausland beschafft werden können und hier ist in einigen Ländern - auch in Europa - Diesel für Landwirte deutlich günstiger. Grundsätzlich müsse man mit weiter steigenden Lebensmittelpreisen rechnen, da auch die Transport- und Energiekosten zum 1. Januar 2024 nach oben gehen.
Sparmaßnahmen sollen Hunderte Millionen Euro bringen
Die Streichungen sind Teil der Haushaltskonsolidierung der Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Bundesregierung will bei den Hilfen für Bauern etwa 900 Millionen Euro jährlich einsparen.
SH-Landwirtschaftsminister unterstützt Protest
Rückenwind für den Protest gibt es von Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU). Die vorgesehen Kürzungen würden sich direkt auf die Einkommen der Landwirte durchschlagen. Er fordert, dass die Ampelregierung ihre Sparpläne noch einmal überdenkt. "Denn es gab einen gewichtigen Grund, diese Förderung sowohl bei den Kraftfahrzeugkennzeichen bzw. der Dieselrückvergütung einzuführen", sagte Schwarz NDR 1 Welle Nord. Kritik kommt auch von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Aus seiner Sicht führen die Kürzungen zu einer enormen, einseitigen Belastung der Landwirte und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produkte.
Backhaus zu Agrardiesel: "Eine einseitige Belastung der Landwirtschaft"
Bislang können Landwirte den Kraftstoff für ihre Traktoren oder Mähdrescher am Ende des Jahres bei der Steuer geltend machen. Das soll jetzt wegfallen. Diese Entscheidung komme unerwartet und sei auch nicht nachvollziehbar, sagt Lambert Hurink vom Landvolk Emsland. Er befürchtet, dass durch die Mehrbelastung noch mehr Familienbetriebe aufgeben. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) hält die geplante Streichung der Beihilfen für Agrardiesel für einen Fehler. Im Interview auf NDR Info kritisierte er die Pläne als "einseitige Belastung der Landwirtschaft".
Habeck: "Ich weiß um die Härten"
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte die Sparpläne verteidigt: "Der Bundeskanzler, der Finanzminister und ich haben die Entscheidung zur Agrardiesel-Beihilfe im Sinne einer Gesamtlösung treffen müssen", so Habeck. "Das war nicht leicht - und auch ich weiß um die Härten. Aber wir müssen in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts mit weniger Geld auskommen und Ausgaben beschränken. Und wir drei haben diese Entscheidung im Rahmen des Gesamtpakets getroffen."