MSC-Einstieg bei der HHLA: "Hamburger Hafen braucht neue Impulse"
Seefracht-Experte Jan Ninnemann sieht den Einstieg eines globalen Konzerns bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) als notwendigen Schritt für die Wettbewerbsfähigkeit. Aber hierfür hätte nicht zwingend MSC genommen werden müssen.
Trotz aller Proteste von Beschäftigten und Kritik aus den Bürgerschaftsfraktionen von CDU, Linken und AfD hat die rot-grüne Koalition in der Hamburgischen Bürgerschaft den Einstieg der Reederei MSC beim Hafenlogistiker HHLA durchgesetzt. Dass das ein Einschnitt ist, darin sind sich Befürworter und Kritiker einig. Während die einen die Zukunft des Hafens gestärkt sehen, sprechen Kritiker von einem schwarzen Tag für Hamburg. Jan Ninnemann ist Experte für Seegüterfracht an der Hamburg School of Business Administration und betont im Gespräch mit NDR Info, dass der Hafen angesichts sinkenden Containerumschlags neue Impulse und einen Paradigmenwechsel braucht. Allerdings hätte hierfür nicht unbedingt MSC gewählt werden müssen.
Der Einstieg von MSC bei der HHLA: Ist das ein schwerer Fehler oder ein notwendiger und richtiger Schritt aus Ihrer Sicht?
Jan Ninnemann: Ich glaube, es ist ein notwendiger Schritt, dass sich im Hamburger Hafen etwas bewegt. Der Containerumschlag stagniert seit vielen Jahren. Der Hamburger Hafen hat im Wettbewerbsvergleich mit Rotterdam und Antwerpen in den vergangenen Jahren zehn Prozent Marktanteil verloren. Das heißt, der Hafen braucht neue Impulse. Und insofern ist der Einstieg von MSC sicherlich ein Treiber, um die Entwicklung des Hamburger Hafens voranzubringen.
Hätte der Schritt auch ohne MSC vollzogen werden können?
Ninnemann: Ja, selbstverständlich. Es gibt natürlich andere Optionen und es wurden auch andere Optionen diskutiert. Aus meiner Sicht wurden die aber nicht ausreichend geprüft und nicht ausreichend bewertet. Sicherlich ist es notwendig, auch mit Blick auf die notwendigen Investitionsbedarfe im Hafen - Stichwort Automatisierung - weitere finanzstarke Partner an Bord zu holen, um den Hafen zukunftsfähig zu machen und weiterzuentwickeln. Das hätte nicht MSC sein müssen, das hätten auch andere Player sein können.
Gehen Sie denn davon aus, dass MSC auch die Interessen Hamburgs im Blick hat?
Ninnemann: MSC verfolgt natürlich erst mal eigene Interessen. Das heißt, MSC ist auf einem Wachstumskurs und will in den nächsten Jahren dynamisch wachsen, braucht dafür weitere Umschlagkapazitäten und hat sich diese nun auch in Hamburg gesichert. Hinzu kommt natürlich, dass MSC auch ein großes Interesse an den Hinterlandaktivitäten der HHLA hat. Es geht hier nicht nur um den Hamburger Hafen, sondern es geht auch um Zugriff auf das Unternehmen Metrans, das Containerverkehre auf der Schiene sehr erfolgreich im Hinterland des Hamburger Hafens praktiziert.
Der Hamburger Senat verspricht ja, die Dinge auch nach dem MSC-Einstieg weiter in den Händen zu halten, also wirklich auch die Richtung zu bestimmen. Sehen Sie das auch so?
Ninnemann: Das ist natürlich schwierig. MSC hat einen Anteil von 49,9 Prozent und ist natürlich ein sehr gewiefter Player mit einer langjährigen Erfahrung. Da wird es Hamburg schwer haben, dagegen zu halten. Da wird MSC sicherlich den Ton deutlich mitbestimmen. Aus anderer Sicht muss man aber sagen: Der Hamburger Hafen braucht in einigen Punkten einen Paradigmenwechsel. Er ist, was das Thema Wettbewerbsfähigkeit angeht, ins Hintertreffen geraten. Und das sind Dinge, die Hamburg auch alleine nicht lösen kann. Das heißt, die städtische Beteiligung ist hier doch ein Hemmschuh, um den Hafen stärker Richtung Wettbewerbsfähigkeit zu trimmen.
Wo sehen Sie denn den Hamburger Hafen im internationalen Wettbewerb?
Ninnemann: Wir sehen, dass der Hamburger Hafen lange davon profitiert hat, diese Scharnierfunktion zwischen Fernost und dem Ostseeraum wahrzunehmen. Das ist so ein bisschen gebröckelt aus vielerlei Gründen. Natürlich haben wir die Entwicklung in Russland, die sich negativ auf den Hamburger Hafen auswirkt. Wir sehen zudem, dass viele neue Wettbewerber auf den Markt kommen. Wir sehen Terminalentwicklungen in Danzig. Wir sehen eine dynamische Entwicklung im Mittelmeerraum und wir sehen auch, dass Rotterdam und Antwerpen deutlich aggressiver, deutlich dynamischer, deutlich technologischer vorangehen. Und insofern hat Hamburg hier Marktanteile eingebüßt, Wettbewerbsfähigkeit verloren und muss jetzt hier zwingend nachziehen.
Es wird ja auch immer über eine nationale Hafenstrategie gesprochen. Da sind ja nun die ersten Schritte auch gemacht worden. Müsste das noch viel stärker verfolgt werden, auch im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland?
Ninnemann: Ich muss persönlich sagen, dass ich von den Ergebnissen der nationalen Hafenstrategie sehr enttäuscht bin. Ich hätte mir hier viel weiter reichende Impulse erwartet. Die betreffen allerdings weniger den Containerverkehr. Hier haben wir drei große Standorte, die gegeneinander im Wettbewerb stehen, die schauen müssen, wie sie sich anforderungsgerecht aufstellen. Mit Blick auf weitere Themen, die natürlich auch den Hamburger Hafen betreffen - Stichwort Energiewende, Umschlag von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten - da gerade hätte die nationale Hafenstrategie weiter reichende Impulse liefern müssen.
Das Gespräch führte Stefan Schlag.