Jazz – Round Midnight

Angry Young Men (and Ladies…): Der britische Historiker Eric Hobsbawm drehte den Jazz auf links. (2/2)

Mittwoch, 16. März 2022, 23:30 bis 00:00 Uhr

Eine Sendung von Ralf Dorschel

Jazz war der Schlüssel. Mit seiner Hilfe habe sich die ganze Welt geöffnet, sagte Eric Hobsbawm, der es sich zum Lebenswerk machte, diese Welt zu erklären - ihre Zusammenhänge, ihre Abläufe und auch ihre Abgründe. Der Brite gehört zu den wichtigsten Historikern des 20. Jahrhunderts – seine Analysen wurzelten im Marxismus, seine Sicht auf diese Welt war geprägt von den sozialen Verwerfungen der Neuzeit und der grundlegenden Analyse aller Risiken und Nebenwirkungen des Kapitalismus. Bücher wie "Die Blütezeit des Kapitals" und "Das Zeitalter der Extreme" sind heute Standardwerke.

Der Kolumnist in London - Francis Newton

Eric Hobsbawm sitzt in einem Sessel in seiner Londoner Wohnung. © picture alliance / akg-images / Purkiss Archive / A
Eric Hobsbawm in seiner Londoner Wohnung. Hier begann der Historiker eine zweite Karriere als Jazz-Kritiker.

Der in Alexandria in eine jüdische Familie geborene Intellektuelle war Anfang der 1930er als Jugendlicher über Wien und Berlin nach London gekommen. Hier studierte er und begann eine zweite Karriere als Jazz-Kritiker. Francis Newton – so das Pseudonym, eine Verbeugung vor Billie Holidays und Bessie Smiths Trompeter Frankie Newton, einem aktiven Kommunisten – schrieb für den "New Statesman" vieldiskutierte Jazz-Kolumnen. Und bettete in ihnen diese rebellische Musik ein in ihren gesellschaftlichen Kontext: Jazz helfe ihm, Rassismus und Ausgrenzung zu verstehen, so Hobsbawm.

Über Jahre und Jahrzehnte arbeitete er an einer zweiten Geschichtsschreibung: der des Jazz und seiner Protagonist*innen. "The Jazz Scene" hieß 1959 sein bis heute lesenswertes erstes Buch. In den 1960ern suchte sich eine junge Szene von britischen Avantgardisten progressive und freie neue Wege rund um den vergnügten Hobsbawm – was dem britischen Inlandsgeheimdienst MI5 so suspekt war, dass man nun hauseigene Agenten in Free Jazz-Happenings setzte.

"Jazz ist nicht offiziell, nicht etabliert und nicht vorhersehbar – sonst ist er keinen Pfifferling wert."

1998 stellte der längst zum intellektuellen Elder Statesman der britischen Linken geadelte Hobsbawm seine Essays zu Arbeiterklasse, Widerstand und Eigensinn programmatisch zusammen unter dem Titel "Ungewöhnliche Menschen. Über Widerstand, Rebellion und Jazz". Diese ungewöhnlichen Menschen sicherten Hobsbawms lebenslange Leidenschaft zum Jazz: "Jazz ist nicht offiziell, nicht etabliert und nicht vorhersehbar – sonst ist er keinen Pfifferling wert." Round Midnight erinnert an den großen Historiker – und spielt die Musik von Billie Holiday, Duke Ellington, Miles Davis bis hin zum Spontaneous Music Ensemble.

 

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