Morgenland Festival: "Wir fingen an zu weinen, als es losging"
Seit 2005 begeistert das Morgenland Festival in Osnabrück mit seiner musikalischen Vielfalt. Zum Jubiläum blickt Gründer Michael Dreyer auf 20 Jahre Festivalgeschichte zurück.
Es sind die letzten Proben des Festival-Orchesters vor der großen Eröffnung des Morgenland Festivals 2024. Die Energie im Raum ist spürbar - alle fiebern dem großen Auftritt entgegen. Es war eine fixe Idee von Gründer Michael Dreyer, die all das möglich macht. Er war es leid, immer nur von Krisen und Konflikten aus dem Nahen Osten zu hören, und hat das Potenzial der Region erkannt: "Gibt's Jazz in Syrien, gibt's Hip-Hop im Iran? Das wusste kein Mensch", so Dreyer. "Ich war jung und reiselustig, also beschloss ich, dahinzufahren und zu entdecken, welche Musik es dort gibt. Ich hatte das damals für ein Jahr angedacht - jetzt sind 20 draus geworden. Es war ein unerwartetes Geschenk und es ist einfach so passiert."
Künstlerische Weltoffenheit und Politik auf der Bühne
Einen konkreten Plan hat Dreyer anfangs nicht, rückblickend hat aber gerade diese Offenheit erst Raum geschaffen für die oft experimentelle Musik des Festivals. Eines der großen Highlights ist der Besuch beim Teheraner Symphonieorchester. Es ist der erste Auftritt eines westlichen Orchesters im Iran seit der Revolution 1979. "Wir haben die Bach'sche Johannes-Passion auf die Bühne gebracht - in Teheran und in Osnabrück. Irgendwie haben wir das hingekriegt, dass wir in der Akademie der Künste spielen durften. Wir fingen alle an zu weinen, als das losging."
Es soll kein politisches Festival sein, aber natürlich bringen die Künstler:innen ihre Geschichten und Perspektiven mit: So brachte die Musikerin Golnar Shahyar vergangenes Jahr auf beeindruckende Weise die Frau-Leben-Freiheit-Proteste im Iran musikalisch auf die Bühne. Wer viel erlebt hat, hat auch viel zu erzählen, meint Michael Dreyer: "Es war immer ganz schön viel ganz schön existenziell. Das ist ein bisschen anders als ein C-Moll-Konzert von Mozart oder die vierte Sinfonie von Mahler."
Leitungswechsel 2025: Kinan Amzeh will neue Ideen, aber Erbe erhalten
Die Organisation des Festivals bringt aber auch seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich, denn viele der Musiker:innen reisen aus dem Ausland an: "Das Thema Visa war immer eine Katastrophe. In diesem Jahr war es mir ganz wichtig, junge Musiker aus Damaskus einzuladen. Wir haben das mit viel Begleitung vom Auswärtigen Amt versucht, alle Visa sind abgelehnt worden." Meistens und nur mit viel Einsatz gelingt es Dreyer, die eingeladenen Künstler:innen auf die Osnabrücker Bühnen zu holen.
Nach 20 Jahren gibt er jetzt die Leitung des Festivals ab. 2025 übernimmt der syrische Musiker Kinan Amzeh als Gastkurator: "Michael hat dieses wundervolle Festival kreiert, das so viel Energie hat und wie eine Familie ist. Es geht also nicht nur um neue Pläne, sondern darum, dieses Erbe aufrecht zu erhalten, während man gleichzeitig neue Ideen einbringt. Das Festival ist der Ort, an dem ich am meisten aufblühen konnte. Deshalb möchte ich auch anderen Musiker:innen diese Bühne öffnen, damit sie durch das Festival die gleichen Möglichkeiten bekommen, wie ich damals."
Das Eröffnungskonzert des Morgenland Festivals mit dem Morgenland Chamber Orchestra & Morgenland All Star Band ist bereits ausverkauft, für die meisten anderen Veranstaltungen gibt es aber noch Tickets. Informationen hierzu finden sich auf der Website der Veranstaltung.