NDR Elbphilharmonie Orchester live
Sonntag, 22. September 2024, 11:00 bis
13:00 Uhr
Antoine Tamestit zählt zu den seltenen Bratschen-Stars unserer Zeit. Der französische Musiker überzeugt durch seine virtuose Technik, seinen feinen Sinn für Klangfarben und seine enorme Vielseitigkeit. Diese Qualitäten stellt der 40-Jährige auch zu Beginn seiner Residenz als Solist des NDR Elbphilharmonie Orchesters eindrucksvoll unter Beweis.
Bach: Barocker Battle
Das sechste Brandenburgische Konzert hat einen einzigartigen Klang, denn Johann Sebastian Bach verzichtet hier bewusst auf Geigen. "Verzicht" ist jedoch das falsche Wort - es ist vielmehr ein Gewinn, dass die Bratschen mit ihrem warmen Timbre im Vordergrund stehen. Besonders, wenn ein Musiker wie Antoine Tamestit dieses Klangspektrum erstrahlen lässt. Als Artist in Residence übernimmt er einen der Bratschensoloparts, während Chefdirigent Alan Gilbert, selbst ausgebildeter Streicher, den anderen spielt. Ein barockes Bratschen-Duell auf Augenhöhe.
Hindemith: Draufgänger-Musik
Der mitreißende Groove, den Bach in die beiden schnellen Sätze legt, setzt sich im zweiten Stück des Abends fort: Paul Hindemiths Kammermusik Nr. 5, das fast wie ein Bratschenkonzert wirkt. Nach einer kurz-knackigen Fanfare treibt das Kammerorchester, besetzt mit Bläsern und tiefen Streichern, die Bratsche voran. Diese hat dabei einiges zu bewältigen. In dem 1927 komponierten Werk schrieb Hindemith sich selbst eine der anspruchsvollsten Solopartien für Bratsche auf den Leib - und ließ seiner Vorliebe für schräge und bisweilen bizarre Einfälle freien Lauf. Das Hindemith-Forum beschreibt seine sieben Kammermusiken treffend als "Musik eines Draufgängers".
Beethoven: Neues Kapitel
Auch Ludwig van Beethoven war ein musikalischer Draufgänger, der zahlreiche Konventionen sprengte und das Publikum oft irritierte oder schockierte. Ein Beispiel dafür ist seine erste Sinfonie, die nach der Pause von Alan Gilbert dirigiert wird. Das Werk beginnt mit einem dissonanten Akkord - als wollte Beethoven im April 1800, zum Beginn eines neuen Jahrhunderts, bewusst ein neues Kapitel der Sinfonik aufschlagen. Zwar steht die Sinfonie noch in der Tradition von Haydn und Mozart, doch Beethovens eigener Stil ist schon deutlich erkennbar: Er überrascht mit musikalischen Trugschlüssen, begleitet den langsamen Satz mit Pauken und Trompeten und verwandelt das "Menuetto" in ein waschechtes Scherzo.