NachGedacht: Wettstreit zwischen Dichtung und Wahrheit
Großbritannien taumelt: Die Queen ist tot, neuer König, neuer Premierminister, und der Brexit ist alles andere als abgehakt. Jetzt sorgt auch noch die Ausstrahlung der 5. Staffel der Serie "The Crown" ab 9. November für royales Unbehagen.
Seine Schritte sind schnittig, sein Lächeln zugewandt, seine Worte wohlformuliert, sein Auftritt dynamisch und entschlossen. Rishi Sunak, er ist der Neue im Land. Für ihn war es ein sichtbar stolzer Moment, als König Charles III. ihn im Buckingham Palast empfing und zum Regierungschef ernannte. Sunak, praktizierender Hindu mit indischen Vorfahren, steht jetzt an der politischen Spitze im Vereinigten Königreich. 42 Jahre ist er jung und wird von so manchem als Heilsbringer gedeutet. Ein Obama-Wunder. Könnte mit ihm dem gerade taumelnden Vereinigten Königreich ein heiliges, meditatives "Om" eingeflößt werden?
Indien hatte keinen leichten Stand, als das Land noch Kronkolonie des britischen Empire war. Churchill konnte die Inder nicht leiden, und vor gut 50 Jahren, so wird bissig gehetzt, seien Leute wie Sunak am selben Ort allerhöchstens als Reinigungspersonal geduldet worden. Ist Sunak gar die späte Genugtuung, eine Rache der Geschichte? Die Briten hatten einst die Inder regiert; im Jahr 2022 dreht sich das Ganze um?
Strukturelle Kehrtwende oder nur Fassade?
Großbritannien erlebt viele erste Male in diesen Wochen und Monaten: Die Queen hat nach über 70 Jahren Thron den Vorhang ihrer Regentschaft zugezogen, eine Premierministerin ist nach nur 45 Tagen von der Bühne geschubst worden, und der neue, jetzt amtierende Regierungschef ist nicht nur jung, sondern hat das Amt auch als erste Person of Color inne. Schafft der stets lächelnde Premier aber auch die strukturelle Kehrtwende? Oder ist seine Mimik nur Fassade?
Sunak selbst hat an renommierten Universitäten wie Oxford und Stanford studiert, wurde Investmentbanker, ist verheiratet mit einer Milliardärstochter und hat den Code des Elite-Knigge meisterhaft inhaliert. Das Zentrum der Macht besteht nicht allein aus Zufälligkeiten. Alles zu sehen in der "Netflix"-Erfolgsserie "The Crown".
Medienwelt fordert das englische Königshaus heraus
Am 9. November geht wieder eine Staffel an den Start. Das Kapitel "Rishi Sunak" ist noch nicht geschrieben. Hauptplot ist jetzt das legendäre und umstrittene Interview, das die Princess of Wales der BBC 1995 gab. Offen sprach Diana damals über ihre komplexe Ehe, über Prinz Charles, seine Dauer-Affäre mit Camilla Parker-Bowles, auch über ihre eigene Untreue. Wir erinnern uns: Ein Jahr später wurde die Ehe zwischen Diana und Charles geschieden, wieder ein Jahr später kam Diana in Paris ums Leben. Staffel Fünf sorgt schon jetzt, vor Ausstrahlungsbeginn, für Wallungen und erhöhten Blutdruck. Prinz William, so wird berichtet, habe den Trailer gesehen und sei außer sich.
Nicht politische Instabilitäten, nicht ein neuer Premierminister, nicht sozialer Unmut und nicht der Brexit fordern das Königshaus in seiner Substanz heraus. Es ist die Medienwelt im 21. Jahrhundert, die die Trennschärfe zwischen Dichtung und Wahrheit zunehmend auf die Probe stellt. Doch wie prophezeite in Staffel Vier von "The Crown" Camilla Parker Bowles, heutige Königsgemahlin: "Im Wettstreit zwischen Märchen und Realität wird das Märchen immer gewinnen." Ob das Märchen allerdings tatsächlich schöner ist als die Realität, ist eine andere Frage.