Imamausbildung: Was bringt das neue deutsch-türkische Modell?
In den nächsten Jahren sollen die mehr als 1.000 Prediger der türkischen Religionsbehörde Diyanet ersetzt werden. Jährlich sollen 75 Absolventen der Islamischen Theologie aus der Türkei in Deutschland von DITIB ausgebildet werden.
"Wir werden versuchen, die Anwärter so gut wie möglich auf das Leben hier in Deutschland vorzubereiten", sagt DITIB-Generalsekretär Eyüp Kalyon. Bereits in den nächsten Wochen sollen die ersten 75 Absolventen der Islamischen Theologie aus der Türkei nach Deutschland kommen, um an der DITIB Akademie ihre zweijährige praktische Imamausbildung zu erhalten - Deutsch- und Integrationskurs inklusive. Das Interesse in der Türkei sei groß gewesen, mehr als 500 Absolventen hätten sich beworben. Wenn alles läuft wie geplant, meint Kalyon, wird voraussichtlich im Februar oder März der Sprachkurs beginnen: "Wir erhoffen uns durch den neuen Ausbildungsgang, dass wir auch in Zukunft die Ressourcen der Imame in den Moscheegemeinden garantieren können. Denn da sehen wir, dass vor allem die Zahl der männlichen Theologen weniger wird."
DITIB und nicht die türkische Religionsbehörde Diyanet wird die Fachaufsicht haben. Und: Der umstrittene Moscheeverband wird mit dem Islamkolleg in Osnabrück zusammenarbeiten. Wenn es etwa darum geht, gesellschaftspolitische Themen zu vermitteln. Das Grundgerüst der geplanten Kooperation stehe, Einzelheiten müssten noch geklärt werden. Islamkolleg-Direktor Bülent Ucar sieht die Entwicklung positiv: "Die Imame sind dann langfristig in Deutschland. Das ist ein großer Fortschritt, weil sich dadurch die Imame mit ihren Familien besser der Lebenswirklichkeit stellen können. Wenn die eigenen Kinder beispielsweise die Schulen besuchen, gesellschaftliche Partizipation erleben, werden auch die muslimischen Gemeinden und die Gesellschaft davon profitieren."
Skepsis nicht nur wegen Sprachbarriere
Einen großen Teil der Ausbildungskosten trägt, so Eyüp Kalyon, der Islamverband. Die Gehälter werden vom türkischen Staat bezahlt. Offen bleibt, inwieweit diese Imame in der Lage sein werden, ihre deutschen Gemeindemitglieder tatsächlich zu verstehen. "Es ist eine schwierige Aufgabe, aber wir glauben, dass wir die Aufgabe bewältigen werden", sagt Kalyon.
Muslimische Geistliche, wie etwa Osman Soyer, sind da eher skeptisch. Der 32-Jährige, aufgewachsen im rheinland-pfälzischen Ingelheim, ist ein Vertreter der neuen Imam-Generation und hat seine Ausbildung an der DITIB-Akademie absolviert: "Die werden nicht so wie wir sein. Die Eingewöhnungsphase und so, das wird schwer sein. Sie sind nicht aus Deutschland. Die werden genauso wie die Imame sein, die aus der Türkei kommen, nur dass sie vielleicht mehr Deutsch können."
Der Niedersächsische Wissenschaftsminister Falko Mohrs sieht in der Zusammenarbeit von DITIB und Islamkolleg auch eine Chance: "Wenn das zum Maßstab genommen wird, was wir am IKD tun, wie auf der Grundlage unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung dort eine Ausbildung stattfindet, dann können auch andere davon profitieren."
Im Moment nicht mehr als ein Kompromiss
Diyanet bleibt jedoch für DITIB die höchste religiöse und theologische Instanz. Nichtsdestotrotz: Das neue Ausbildungsmodell ist für DITIB-Generalsekretär Eyüp Kalyon Ausdruck eines Wandlungsprozesses innerhalb des Moscheeverbandes hin zu mehr Offenheit: "Meines Erachtens ist die DITIB unabhängig, auch wenn bis dato die Imame von Diyanet besoldet werden. Die Imame sind in DITIB-Moscheen hier in Deutschland beschäftigt."
Kritiker wie der Religionssoziologe Rauf Ceylan bezweifeln das. Die strukturelle und personelle Verflechtung von DITIB und Diyanet werde sich in den nächsten Jahren nicht ändern. Warum sich die Bundesregierung trotzdem auf dieses Abkommen eingelassen hat? "Es gab im Hintergrund viele schwierige Diskussionen und Gespräche. Das ist ein Kompromiss. Und dahinter die Idee, dass man in den nächsten Jahren in zwei oder drei Schritten die große Lösung herbeiführen kann."
Umso wichtiger ist es nun, zu klären, wie sich die Finanzierung der Geistlichen in den Moscheen in Deutschland neu regeln lässt. Konzepte, zum Beispiel eine Bundesstiftung, liegen schon lange vor.