Sonderzug nach Schwerin: Udo Lindenbergs legendärer Fast-Auftritt
Im Dezember 1989 war auf dem Schweriner Schlachtermarkt ein ganz besonderes Konzert geplant: Udo Lindenberg sollte auf einer Bühne spielen, die NDR 2 dort aufgebaut hatte. Doch dann kam alles anders.
"Das war der totale Hammer", erinnert sich Udo Lindenberg Jahre später an eine besondere Episode in der Wendezeit. "Freunde riefen mich an und sagten: Die Mauer ist weg, du kannst rüber fahren nach Schwerin, da sind jede Menge Leute auf dem Marktplatz. Und die haben eine kleine Bühne da, der NDR hat die vorbereitet. Ich habe gedacht: Okay, ganz easy und locker fährt man da mal hin und trifft endlich die Brüder und Schwestern, von denen ich ja wusste, es sind meine Freunde. Nur: Wir hatten uns ja noch nie gesehen. Und als ich ankam, wurden es immer mehr, am Ende 10.000 Leute! Die hätten mich beinahe zu Tode gedrückt vor lauter Zärtlichkeit und Liebe."
Ein ganzer Abend mit Udo Lindenberg: Ein Zeitzeuge erinnert sich
NDR 2 hatte für diesen Abend am 8. Dezember 1989 eine Bühne auf dem Schlachtermarkt aufbauen lassen. Udo Lindenberg bereitete sich währenddessen in einem Hotel am Markt auf seinen Auftritt vor. An seiner Seite: Roland Kroll, ein Journalist des Senders Schwerin. Kroll sollte damals nur ein kurzes Interview machen. Es wurde ein ganzer Abend mit Udo daraus. "Wir sind nichts ahnend in die 'Alt Schweriner Schankstuben' gegangen, oben in die dritte Etage", erinnert sich Kroll Jahre später. "Das war schon ein bisschen aufregend, denn wir kannten bis dato Udo ja auch nur aus der Ferne. Und dann saßen wir plötzlich zusammen, in kleinem Kreis: Udo, ein Kollege von der Schweriner Volkszeitung, jemand von der Stadt, irgendjemand vom Management und ich."
Schlachtermarkt überfüllt, Hotel belagert
"Wir waren gerade im Schloss, hier steht ja eins rum", erzählte der Rockstar dem Reporter in lässiger Lindenberg-Manier damals ins Mikro. "Wir haben uns gesagt: Gehen wir mal ein bisschen kieken. Wir waren im Schlosscafé, haben zwei Kollegen musizieren gehört, an der Violine und am Klavier, das war sehr eindrucksvoll!" Während des Interviews füllte sich der Schlachtermarkt mehr und mehr mit Leuten. Den Organisatoren wurde klar: Die Bühne ist zu klein. Es sind zu viele Fans auf dem Platz. Die Tür der Schankstuben war umlagert von Menschen.
Schwerin-Version von "Sonderzug nach Pankow"
"Als klar wurde, dass er nicht auf die Bühne kam oder nicht auf die Bühne gehen konnte, brachte dann irgendwann ein Techniker von NDR 2 ein drahtloses Mikrofon hoch", erzählt Kroll. "Und über dieses drahtlose Mikrofon hat dann Udo von oben aus dem Fenster einen Song über seinen Schwerin-Besuch gesungen." Dabei verpasste der Sänger, ganz ohne Bandbegleitung, seinem Hit "Sonderzug nach Pankow" einen neuen Text:
Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug aus Hamburg?
Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Schwerin.
Man glaubt es ja kaum, das ist ja alles wie ein schöner Traum.
Doch keine Angst vorm Erwachen, wir werden jetzt so weitermachen.
Wir haben 'n Fläschchen Cognac mit und das schmeckt sehr lecker,
das trinken wir jetzt alleine und zwar ohne Honecker.
Lieber auf Gorbi 'nen Wodka und schön kalt,
am besten geht es weiter ohne Gewalt.
Udo Lindenberg 1989 in Schwerin
"Wusste gar nicht, dass ich für euch so ein Flash bin!"
In einem Interview von 2017 blickte Udo Lindenberg so auf diese Szene in Schwerin zurück: "Die haben ein Mikro angemacht und ich habe versucht, es zu erklären: Ich kann echt nicht rausgehen, das ist für uns alle zu riskant jetzt. Ich wusste gar nicht, dass ich für euch so ein Flash bin!"
Bevor Udo mit dem Auto wieder in Richtung Hamburg aufbrach, versprach er im Gespräch mit dem Sender Schwerin, ganz schnell wieder vorbeizukommen. Schon im Monat darauf, im Januar 1990, kehrte Udo Lindenberg nach Schwerin zurück - für ein großes Konzert in der Sport- und Kongresshalle.