Soap&Skins Cover-Album "Torso": Melancholisch und eigenwillig
2022 wurde Anja Plaschg alias Soap&Skin zum Donau-Festival dazu eingeladen, an einem Abend sämtliche über die Jahre entstandenen Cover-Stücke aufzuführen. Auf ihrem Album "Torso" hat sie diese Sammlung jetzt gebündelt eingespielt.
Das Klavier klirrt, der Sound ist kühl und in ihrer typisch tiefen, geisterhaften Stimmlage legt uns Anja Plaschg den Hit "Voyage Voyage" aus dem Jahr 1987 ins Ohr. Im Original von Desireless ein ebenfalls eher düsterer, aber mitreißender Synth-Pop-Track mit eindeutigem Beat - tanzbar, einfach genial -, klingt das Cover der österreichischen Musikerin hingegen wie ein ganz eigener Song.
Melancholisch, eigenwillig: Klavier, manchmal Streicher, manchmal Bläser, und Gesang, mehr braucht es bei der 34-Jährigen nicht. Und dennoch wächst dieses Cover mit jeder Sekunde, wird immer opulenter. Wer Soap&Skin schon einmal live erlebt hat, erkennt, dass sie dieses Stück immer wieder anders interpretiert. Es ist ein fester Bestandteil in ihrem Repertoire seit 2011. Auf dem neuen Langspieler strahlt es in der "Lifetime Version".
"Torso": Plastischer Titel für Cover-Album
"Torso" ist ein sehr plastischer Titel für ein reines Cover-Album: der menschliche Körper ohne Kopf und Gliedmaßen. In der Bildhauerei ist ein Torso ein gängiges Motiv, das entweder als Statue explizit so angelegt ist oder im Laufe der Zeit durch Kriege oder Schändungen verstümmelte.
Obwohl sich Soap&Skin ganz offensichtlich auf die Kreationen anderer Musikerinnen und Musiker bezieht, geht sie nicht kopflos an die Sache ran, ruht sich nicht auf den Lorbeeren ihrer Vorgänger aus - ganz im Gegenteil. Aus dem eher verspielt klingenden "Pale Blue Eyes" von The Velvet Underground wird eine fast dronige Version, die Melodie ist bis auf den Refrain kaum wiederzuerkennen. Hoffnung blitzt auf.
Hier etwas wegnehmen - dort etwas hinzufügen
David Bowie, The Doors, Cat Power oder Lana Del Rey - die Texte ihrer Songs wandelt Soap&Skin immer wieder leicht ab, die Instrumentierung ist vorwiegend getragen, um des poppigen Charakters beraubt. Der hallende Gesang jagt durch die Stücke, wie in einem Thriller. Kalte Schauer vorprogrammiert.
Der stetig wachsende Popmusikkatalog mit Songs, die für den Musikgeschmack der Künstlerin ausschlaggebend waren, ist für Anja Plaschg genau das: der Torso, die Spielmasse, die es zu bearbeiten gilt. Ein Zurückgreifen, hier etwas wegnehmen, dort etwas hinzufügen - und am Ende entsteht ein neues Werk, dessen Ursprung sichtbar bleibt.
Altbekannte Hits neu entdecken
Man könnte auch sagen: Soap&Skin fordert uns heraus, will, dass auch wir diese altbekannten Hits durch ihre Interpretation noch einmal neu entdecken. Denn geht das eigentlich noch, was früher unbeschwert daherkam, heute genauso zu covern? Während die Orte zum Ausgelassensein und Tanzen immer weniger werden? Während um uns herum Kriege und Krisen toben? Oder brauchen wir dann genau das, die Musik als Zuflucht und Trost?
"Es fühlt sich gut an, auch mal von mir wegzukommen", sagt Anja Plaschg über ihr Cover-Album. Damit öffnet sie auch uns den Raum zu reflektieren, einen Schritt zurückzutreten. Alte Konstanten zu hinterfragen und auch neu schätzen zu lernen.
Torso
- Label:
- PIAS
- Veröffentlichungsdatum:
- 22.11.2024