von Juliane Reil

Es ist lange her, dass Jason Beck alias Chilly Gonzales gerappt hat. Dabei hat er Anfang der Nullerjahre seine Karriere genauso begonnen: als subversiver Rapper, der wie die Persiflage von Eminem und Cypress Hill wirkte. Erst später kamen seine Solo-Piano-Alben, auf denen er den seriösen Pianisten gab. Auf seinem neuen Album "Gonzo" verbindet er beides. Das kann dann auch mal Rock-Attitüde haben. 

Chilly Gonzales setzt sich mit seinem Fantasmus auseinander 

Jason Beck: als Kunstperson Chilly Gonzales in der Vergangenheit machmal "ein bisschen extrem"

Der Titel des Albums ist dabei kein Zufall. Als Gonzo-Journalismus bezeichnet man eine Art des Schreibens, die das eigene Leben in den Vordergrund stellt. So setzt sich auch der gebürtige Kanadier Chilly Gonzales stark mit sich selbst auseinander. Zum Beispiel mit der eigenen Rolle als Künstler, der in der Vergangenheit manchmal nicht mehr zwischen Realität und Bühnen-Persönlichkeit unterscheiden konnte. Er lebte in einer Fantasie-Vorstellung, einem Fantasmus, wie er es bezeichnet. 

"Das Leben als Chilly Gonzales war besser", sagt der Musiker. "Mit dieser Liebe, dem Respekt und dieser Bewunderung vom Publikum. Ich habe auch verboten, dass die Leute mich Jason nennen. Das ist ein bisschen extrem." Dann habe er eine Psychoanalyse gemacht. "Ich habe verstanden, dass Fantasmus wichtig, aber in der Realität zu leben nötig ist. Man kann nicht nur im Fantasmus leben."  

Deutsch Rap - Schnapsidee, ich mache das anyway! Zitat aus dem Song I.C.E.

Kritik an Neoklassik-Künstlern: "Haben Algorithmus schon im Kopf"

Chilly Gonzales beherrscht das Wechselspiel zwischen Humor und Ernst. Zwischendurch gibt es klassisch anmutende Stücke auf dem Klavier im verdaulichen Popsong-Format und süffig-sentimentale Melodien. 2004 hat er damit einen Trend gesetzt, von dem Künstler aus der Neoklassik bis heute profitieren. Gonzales sieht diese Künstler jedoch kritisch, weil sie sich aus seiner Sicht zu Sklaven von Spotify-Playlisten machen: "Wir haben jetzt viele Musiker, die den Algorithmus beim Kompositionsprozess schon im Kopf haben. Das ist ein Fehler. Wir müssen immer Kunst ohne Kompromisse machen. Ohne zu fragen, wie sich etwas verkauft." 

Neues Album "Gonzo": Nicht alle Stücke überzeugen gleichermaßen

Künstlerische Haltung und musikalische Metamorphosen machen Chilly Gonzales interessant. Mit den Rap-Parts ist eine Prise Subversion in seine Musik zurückgekehrt, was Gonzales guttut. Trotzdem überzeugen nicht alle Stücke gleichermaßen, weil die Arrangements mitunter etwas zu einfach und die Texte zu "cheesy" sind. Das verzeiht man Gonzales jedoch. Denn die eigentliche Kraft entwickelt dieser charismatische Entertainer erst in der Live-Performance, wenn er in der Improvisation seine wahren Trümpfe zieht.

VIDEO: Grammy-Gewinner Chilly Gonzales spielt Konzert in Hamburg (2 Min)

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