Bunker.Lab Residency: Der analoge Synthesizer lebt - und wie!
Der Hamburger Musikclub Uebel & Gefährlich bietet Residenzen im eigenen Synthesizer-Studio und anschließende Konzerte. Die Instrumente der 70er- und 80er-Jahre sind so gefragt wie lange nicht.
Die analogen Synthesizer versprechen einzigartige Klänge und verbreiten Aura und Charme der frühen Jahre elektronischer Klangerzeugung. Kurz: Sie stehen für Kraftwerk-Zauber. Nur wer kann so einen pflegeintensiven Instrumentenpark schon besitzen? Der Hamburger Musikclub Uebel & Gefährlich hat welche - und ein neues Projekt.
Schatzkammer kurz vor den Toiletten
Clubtoiletten sind magische Orte. Die des Uebel & Gefährlich im Hochbunker an der Feldstraße in Hamburg St. Pauli haben einen besonders rohen Charme. Dicke graffti-chaotische Betonwände, mächtige Stahltüren, auch tagsüber kaum Licht, wer hier nachts feiert, ahnt nicht, dass es kurz vor den Toiletten links in eine Schatzkammer geht. Selten wird man als Reporter mit einem Lied begrüßt.
Auftakt mit Albertines Sarges, Lo Selbo und Isabel Ment
Albertines Sarges, man kennt sie aus den Bands von Kat Frankie oder Alli Neumann, probt hier mit Lo Selbo von der Ostia und "Izzi" Isabel Ment. Sie machen Auftakt bei der Bunker.Lab Residency. "Jeder bringt so drei bis vier Tracks mit, die aber alle noch ganz ungeschliffen, noch im Entwurfsstadium sind. Und diese rohen Entwürfe entwickeln wir jetzt hier, sie bekommen praktisch ein neues Gewand mit Synthesizern erstmalig für die Bühne", beschreibt Albertine die Arbeit im Klang-Labor. Die Drei sitzen sich gegenüber an unterschiedlichen Instrumenten mit Reglern, bunten, schwarzen und weißen Tasten und Schalttafeln.
"Ich sehe so ein Synthesizer-Studio wie eine Art Lego-Kollektion, wo du reingehst und erst mal denkst: Oh mein Gott, so viel Lego!", sagt Albertine. "Dann fängst du an, was zu bauen und plötzlich hast du etwas Sinnvolles konstruiert. So sind wir nach und nach zu dieser Konstellation an Instrumenten gekommen, womit wir alles umsetzen konnten, was wir mitgebracht haben."
Wie im Orchester, bei dem man die Besetzung selber bestimmt
Jedes der Instrumente spielt schließlich seine Rolle im Arrangement: Bässe, Melodien, Klangfarben - letztlich genau wie im Orchester, nur das man hier die Besetzung selber bestimmt. Die Räume, die Bass und Melodien entwerfen, füllt Izzy aus, mit den magischen Klängen eines legendären Synthesizers: "Der hier ist der ein ganz seltenes Exemplar eines wunderbaren Korg analog. Was ich an dem besonders liebe, sind die Flächen und dieser Knopf. Der heißt Chorus. Auch alle E-Pianos sind ganz toll, sie sind noch unterschiedlich regelbar - und das macht sehr viel Spaß!"
Haptik macht die alten Synthesizer bis heute so beliebt
Es ist dieses Unmittelbare, die Möglichkeit jederzeit haptisch über Regler und Schieber in die Klangerzeugung einzugreifen, die diese alten, pflegeintensiven Klangerzeuger bis heute so beliebt macht. Viele kosten inzwischen hohe fünfstellige Summen. "Die Verfechter des analogen Synthesizers sagen natürlich, dass, nichts die Emotion so gut einfängt wie ein analoges Instrument", sagt Izzy. "Es ist wie ein Lebewesen, das atmet. Es ist nicht immer ganz gestimmt, es wabert ein bisschen - ich finde das macht die ganze Magie aus, vor allem Oberheim hat so viele Emotionen, da sage ich immer: Emotion in the Ocean. Wir haben was von Moog, wir haben was von Roland, wir haben was von Korg, also wir haben wirklich die Creme de la Creme hier!"
Was einzigartig klingt und toll aussieht, darf bleiben
Sunny Vollherbst ist der Meister der Bunkerinstrumentenkollektion, die größtenteils aus den Beständen des inzwischen geschlossenen Altonaer Geschäfts Subraum stammt. Die Geräte stapeln sich jetzt bis zur Bunkerdecke - der Hüter der Sammlung muss genau auswählen: "Es darf halt nur das Instrument bleiben, was erstens einzigartig klingt, zweitens toll aussieht und drittens halt auch eine Geschichte hat."
Analoge Synthesizer müssen gereinigt und gestimmt werden
Sunny hält die empfindlichen Lebewesen in Schuss. Er lötet, reinigt und stimmt - ja das muss man, bei analogen Synthesizern: "Aber genau das macht ja den Klang lebendig, dass diese drei Oszillatoren, die analogen Klangerzeuger, alle so ein bisschen 'herumeiern', atmen und dann kommen halt schwebende Flächen zustande und ohne dieses Instabile würde er halt auch nicht so toll klingen!"
Sebastian, Lo Selbo, spielt die Bässe am Minimoog. "Der ist einer der berühmtesten Synthesizer der Welt", erklärt er. "Der kann immer nur einen Ton gleichzeitig spielen, aber das kann er sehr, sehr gut!"
Minimoog in Songs von Yes, Kraftwerk und ABBA zu hören
1970 stellte Robert Moog den Mini vor, das erste Instrument, dass in Serie gebaut wurde und in einen Kofferraum passte. Rick Wakeman von Yes hatte Moogs auf der Bühne, der Jazzmusiker Sun Ra, Kraftwerk, Hans Zimmer, Air, Jean Michel Jarre, ABBA - man hört ihn in unzähligen Songs. "Der hat so viel Dreck mit in dem Ton", meint Sebastian. "Viele Computer versuchen das nachzumachen, das geht wahrscheinlich auch irgendwie, aber hier muss man sich nur davorsetzen und der Klang ist da."
"Analoge Instrumente bedeuten auch Spontanität"
Wenn man die drei beim Improvisieren beobachtet, ist er schon zu erkennen, der Regelkreis aus Instrumenten, Klängen und Musikideen. Beim Konzert im Turmzimmer des Bunkers soll genau das auch sichtbar werden. "Da wir in dieser Konstellation noch nie gespielt haben, können wir spontan Dinge auf der Bühne machen, die sonst nicht möglich sind", sagt Izzy. "Analoge Instrumente bedeuten eben auch Spontanität. Und da die Bühne in der Mitte des Raums sein wird, können die Leute um uns herum schauen, was wir da überhaupt machen."
Bunker.Lab bringt versteckte Studioarbeit auf die Bühne
360-Grad-Konzert heißt das. Die Idee zum Bunker.Lab hatte Uebel & Gefährlich-Booker Malte von der Lancken. Warum nicht die versteckte Studioarbeit im Bunker auf die Bühne bringen? Die Gäste, die er einlädt, sollen das breite Spektrum des Clubs abbilden: Techno, HipHop, Jazz, Rock. "Wir haben quasi mit den vorgegebenen Synthesizern, die den roten Faden ergeben, schon einen großen Sound-Akzent gesetzt", sagt er. "Die Idee ist, aus verschiedenen Ecken Leute einzuladen. Dadurch macht jeder ein bisschen was anderes daraus und es klingt jedes Mal anders."
Ende April kommen dann Produzent Farhot, der für Nneka, Lizzo und Haftbehl arbeitet und der Jazz-Keyboarder Moses Yoofee, Leiter der Band von Peter Fox. Mit der üppigen Bunkersammlung werden sie noch ganz andere Synthesizer-Sphären entstehen lassen.