Björk mit "Cornucopia": Spektakel zu losgelöster Musik in Hamburg
Was die Isländerin Björk auf ihrer Tour "Cornucopia" auf die Bühne bringt, gehört zum ungewöhnlichsten, was man auf einer Popmusik-Tour bisher sehen konnte. Am Dienstag flackerte die Multimedia-Show durch die Hamburger Barclays-Arena.
Vibrierende Blütenblätter, die sich zu immer neuen Formen zusammensetzen, zitternde Stempel-Tentakel, die sich vereinen, trennen, neu formieren, Achterbahnfahrten durch unendliche Netzwerke von Wurzelgeflecht: Die Videoprojektionen sind bei "Cornucopia" mindestens so wichtig wie die Musik von Björk oder ihre Präsenz.
Ein Vorhang aus silbernen Fäden hebt und senkt sich, immer neue fantastische Bilder hasten darüber. Björk steht mal davor, mal dahinter in einem Outfit aus felligen Schlangen. "Cornucopia" bedeutet "Füllhorn" - in diesem Fall ist es prall gefüllt mit Natursymbolen, mikroskopischen Darstellungen aus der Biologie, vielen Farben in ständiger Bewegung.
Einklang mit der Natur Lebensthema von Björk
Für Björk sind das Symbole von Erdverbundenheit, von Einklang mit der Natur und Bewahrung der Lebensgrundlagen auf diesem Planeten. Auf ihrem aktuellen Album "Fossora" besingt sie die wundersamen Myzelnetzwerke der Pilze. Schon bei ihrem Debüt textete sie einen Song über die Undurchdringbarkeit der Menschen - gesehen aus der Perspektive eines Tieres. "Natürlichkeit" ist also ein Lebensthema von Björk, die am Konzerttag in Hamburg ihren 58. Geburtstag feierte.
Auch für das Ungewöhnliche, Artifizielle und Einzigartige steht sie, wie keine andere Pop-Künstlerin ihrer Popularität. Wo andere Stars nach so langer Tourpause dem Publikum wenigstens ein paar der großen Hits liefern, gibt es hier nur ein dürres Zitat von "Venus As A Boy", der zweiten Single ihres ersten Albums, allerdings in fast unkenntlichem Arrangement.
Björk lässt sämtliche Bausteine der Pop-Musik hinter sich
Björk verweigert inzwischen fast sämtliche Bausteine der populären Musik. Bass und Beats? Gibt es hier kaum. Perkussionist Manu Delago werkelt auf kleinen Trommeln oder erzeugt Klänge mit Gefäßen in Wasserbecken. Eingängige Melodien? Die hat Björk schon lange hinter sich gelassen, die letzten Alben "Utopia" und "Fossora", die diese Show prägen, leben von harmonischen Schichtungen aus luftigen akustischen Klängen.
Die prägen auch die "Cornucopia"-Show: Auch auf der Bühne stehen und tanzen sieben Querflötistinnen in elfenartigen Gewändern einen Sommernachtstraum-Reigen, wie in einem Shakespeare-Theater der 1950er-Jahre - Viibra heißt das Ensemble. Der isländische Chor musste für Hamburg leider zuhause bleiben, wahrscheinlich wären die Tickets sonst noch teurer geworden als von 80 Euro aufwärts.
Fans überwältigt von zu viel Input
All das hört man so sonst nirgends. Manchmal wirkt es aber, als sei Einzigartigkeit hier das einzige Ziel der Performance. Björks Fans sind sehr treu und folgen dem Superstar mit Hingabe. Hier haben manche doch Fragezeichen in den Augen "Das ist schon sehr viel Input", sagt eine, die die Künstlerin schon lange verfolgt. Er habe sich wie im MRT gefühlt, sagt ein anderer, es sei aber eben Björk, ein Sturm von Eindrücken, dem man sich gerne aussetze!
Unverständnis und Jubel für Projektion von Greta Thunberg-Zitat
Keine ungeteilte Begeisterung erhielt Björk, als ein Zitat der 16-jährigen Greta Thunberg eingespielt wird. Ist die nicht schon älter geworden? Kann sie hier so noch stehen? Das sorgt teils für Verwirrung und Unverständnis, aber zum Teil auch für Jubel. Selbst bei diesem Füllhorn "natürlicher" Symbole für Einklang mit der Schöpfung kann man die harten politischen Debatten dieser Tage wohl nicht ausblenden.