Cellistin Anastasia Kobekina: "Bach ist der Soundtrack meines Lebens"
Die 30-jährige russische Cellistin Anastasia Kobekina liebt Bach - und freut sich auf die Gestaltung der Festspiele MV 2025. Ein Gespräch über ihr geplantes Programm, über Energie, Radiohead und über ihren Komponistenvater.
Die jungen Cellistin Anastasia Kobekina ist musikalisch sehr breit aufgestellt. Sie wird im kommenden Jahr zum ersten Mal die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern 2025 mitgestalten - als Preisträgerin in Residence. Das ist eine Auszeichnung, die die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern jedes Jahr einem jungen Nachwuchsmusiker oder einer jungen Nachwuchsmusikerin verleihen. Damit verbunden ist nicht nur ein hochdotierter Preis, sondern auch die Möglichkeit, die Festspiele mitzugestalten.
Sie haben schon etliche Preise gewonnen, unter anderem die Bronze-Medaille beim Tschaikowsky-Wettbewerb. Jetzt sind Sie MV-Preisträgerin in Residence. Dieser Preis ist ein bisschen anders als die meisten Preise. Was bedeutet das für Sie?
Anastasia Kobekina: Der spannende Preis bietet die Möglichkeit, sehr kreativ zu sein. Er erlaubt, viele Programme zusammenzustellen - mit so vielen Musikern. Nicht nur mit Musikern: Es gibt auch eine Zusammenarbeit mit einer Tanz-Compagnie vom Rostocker Theater. Außerdem spiele ich mit dem Percussionisten Alejex Gerassimev ein Programm für Cello und Schlagzeug. Dass so etwas bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern möglich ist, ist für mich eine große Freude.
Mit der Residenz geht einher, dass Sie nicht nur selbst spielen, sondern auch rund 20 Konzerte gestalten. Wie schwer ist es, als Musikerin in die Perspektive der Kuratorin umzuschalten?
Kobekina: Es gibt sehr viele Wünschte (lacht). Ich habe so viel Interesse, mit unterschiedlichen Musikern zusammen zu spielen. Das muss man zur Realität bringen - all das in Kooperation mit dem Team der Festspiele. Wir haben gemeinsam geschaut: Welches Programm passt zu welchem Spielort? Was könnte fürs Publikum spannend sein? Ich bin seit so vielen Jahren dort. Es ist daher für mich ein bisschen wie Nach-Hause-Kommen. Es war eines der ersten Festivals, bei denen ich in Deutschland gespielt habe. Das muss 2013 gewesen sein - ein Jahr, nachdem ich nach Deutschland gekommen bin.
Ich habe gehört, dass Bach auch eine Rolle spielen wird.
Kobekina: Mit Bach wächst man. Das ist wie ein Soundtrack des Lebens. Dieses Mal probiere ich ein neues Format aus: Es wird zusammen mit Publikum im Wald eine Wanderung geben. Bei den kurzen Pausen und beim Picknick werde ich die Bach-Suiten spielen.
Mein Instrument wurde 1698 gebaut. Das Holz ist ein paar Hundert Jahre älter. Ich fand die Idee schön, dass man bei diesem Spazierengehen das Publikum näher kennenlernt und ins Gespräch kommt. Ich hoffe, das Wetter wird mitspielen!
Man sagt, Sie seien "eine Cellistin wie ein Vulkan". Können Sie selbst mit so einer Beschreibung etwas anfangen?
Kobekina: Hoffentlich kein gefährlicher Vulkan! Für mich bedeutet auf der Bühne zu sein, Kommunikation mit Menschen. Ich möchte gerne für die Musik, die ich spiele, eine Botschafterin sein. Die Musik soll Menschen bewegen, zum Träumen bringen. Auf der Bühne kommuniziere ich sehr aktiv.
Sie sind 1994 in Russland geboren, haben schon mit vier Jahren mit dem Cellospiel angefangen. Ihre Eltern sind beide Musiker. Ihr Vater ist Komponist - kommt Ihre musikalische Energie aus ihrem Elternhaus?
Kobekina: Bestimmt. Wenn ich die alten Videokassetten anschaue, dann hatte ich damals mehr Energie, als jetzt. Ich wollte alle Instrumente spielen. Ich habe viel gesungen, getanzt. Das Cello war nur eines meiner Interessen als Kind. Mit der Zeit ist es zu einer Partnerschaft geworden. Ich verbringe jetzt mein Leben mit dem Cello.
Sie spielen schon seit vielen Jahren die Werke Ihres Vaters Vladimir Kobekin. Auf allen Alben sind immer auch Stücke von ihm. Was bedeutet Ihnen diese Musik?
Kobekina: Sie bedeutet für mich ein Zuhause. Ich bin mit seiner Musik aufgewachsen. Er hat hinter der Tür gesungen, komponiert, nach den Melodien gesucht. Eines der ersten Stücke, das ich gelernt habe, als ich einigermaßen Cello spielen konnte, war von ihm. Wir haben zusammen das Stück studiert und er hat mir erzählt, welche Bilder er mit dieser Musik beschreiben wollte. Diese Erinnerungen bleiben für immer. Ich spiele gern seine Stücke als Zugabe.
Ihr Repertoire ist sehr breit - von Barockmusik geht es über Spätromantik bis zur zeitgenössischen Musik bis zur Popmusik. Unter anderem haben Sie ein Album mit Bryce Dessner herausgebracht, eigentlich Gitarrist und Sänger bei der Indie-Rockband The National, aber er komponiert auch. Was war das für eine Zusammenarbeit?
Kobekina: Die Kooperation ist durch unser Plattenlabel Sony entstanden. Ich habe ihn kennengelernt und dachte, er ist ein Rockstar! Im normalen Leben ist er aber "down to earth" und wahnsinnig nett. Ich kann verraten, dass es in den nächsten Jahren weitere Kollaborationen geben wird.
Im Oktober ist der Titel "Like Spinning Plates" erschienen: ein Song von Radiohead, den Sie in einer Version für Cello und Klavier mit dem Pianisten Jean-Sélim Abdelmoula neu eingespielt haben. Warum Radiohead?
Kobekina: Ich bin ein großer Fan von Radiohead. Ich würde so gern mit Thom Yorke oder Jonny Greenwood zusammenarbeiten. Das ist mein großer Traum! Wenn jemand die kennt und ein Wort für mich einlegen könnte? Das Stück ist von allen Stücken, die ich dieses Jahr aufgenommen habe, mein Lieblingstrack.
Sie sind ständig auf Konzertreisen. Ich habe gelesen, dass Sie als Ausgleich gerne stricken. Stimmt das?
Kobekina: Das stimmt! Das ist für mich fast wie Meditation. Zuletzt gab es so viele Verspätungen bei der Bahn, dass ich viel stricken konnte. Ich bin gerade von Schals auf Mützen aufgestiegen. Ich stricke und verschenke das Stück dann.
Das Gespräch führte Beate Stender, NDR Kultur Musikredakteurin.