Pianist Lang Lang: "Musik sollte immer ein guter Freund sein"
Der Pianist Lang Lang hat zusammen mit Andris Nelsons und dem Leipziger Gewandhausorchester ein neues Album mit Musik von Saint-Saëns veröffentlicht. Im Gespräch mit NDR Kultur sprach er über die Arbeit am Album.
Diesen Satz wollte ich immer schon einmal sagen: Meinen nächsten Gast muss man nicht vorstellen, herzlich willkommen Lang Lang!
Lang Lang: Vielen Dank.
Sie stehen am Anfang eines Interviewmarathons. Glücklicherweise darf ich heute der Erste sein. Ich habe viele Popkünstler gefragt und alle sagten, sie hassen Interviewmarathons. Sind Sie ein guter Schauspieler?
Lang Lang: Ich bin kein guter Schauspieler. Manchmal mag ich es gern, aber wenn immer wieder dieselben Fragen gestellt werden, ist es nicht so gut. Das Gute ist, wir sind am Anfang und ich fühle mich noch ganz frisch.
Welche Frage wird in jedem Interview gestellt?
Lang Lang: Wie viele Stunden ich üben muss.
Was würden Sie sich selbst mal fragen und warum hat das noch niemand gemacht?
Lang Lang: Es kommt drauf an. Heute würde ich mich fragen, wann ich beginnen kann, den Ravel zu üben. Ich habe gerade den zweiten Satz in einem Konzert gespielt, aber noch nicht das ganze Werk. Ich denke, ich werde heute Nacht üben.
Den "Karneval der Tiere" haben Sie zusammen mit Ihrer Frau Gina Alice Redlinger aufgenommen. Ist das eine spezielle Situation? Wie war das Aufnehmen mit ihr?
Lang Lang: Wir hatten eine gute fast zweijährige Vorbereitung. Wir haben mit ein paar Konzerten in China angefangen, um herauszubekommen, auf welche Weise wir das am besten machen können. Es sind wirklich spannende Stücke, aber es ist noch ein bisschen unter der Oberfläche. Es ist nicht nur Karneval und Tiere. Als Saint-Saëns das geschrieben hat, hat er ein paar seiner Kollegen kritisiert, ein paar gemeine Kommentare gemacht und er hat die Tiere benutzt, um Menschen bloßzustellen. Es sind nicht spaßige Tiere, sondern es geht um die Menschen hinter dem Tier. Wir versuchen eine Balance zu finden, dass es zwar Spaß macht, aber auch eine Substanz dahinter steckt. Es ist eine große Ehre, dass wir das mit dem Gewandhausorchester und Andris Nelsons machen können.
Zusammen zu musizieren und aufzunehmen ist etwas anderes, als zusammen zu leben. Welche neuen Seiten haben Sie an Gina entdeckt?
Lang Lang: Sie ist eine andere Art von Musikerin als ich. Sie ist nicht nur Pianistin, sondern auch Songwriterin. Sie bringt dadurch, dass sie Songs schreibt, noch einmal andere Aspekte ein. Das ist sehr inspirierend für mich, gerade bei der Debussy-Suite - das ist ein sehr bildhaftes Stück, was man sehr sanft spielen sollte. Das ist eine Herausforderung und ich habe versucht, sie ein bisschen zu ärgern. Das ist ein Stück für vier Hände, das zuvor nur Barenboim, Eschenbach und Martha Argerich gespielt haben. Ich habe zu ihr gesagt: Bist du wirklich bereit dafür? Ich wollte ihr ein bisschen Angst machen. Sie machte es trotzdem und ihr geht es gut.
Disney hat immer gesagt: Wenn man gute Kinderfilme machen will, muss man auch die Erwachsenen unterhalten. Ist das hier auch so - einerseits für Kinder, andererseits für Erwachsene? Welche Figur liebt Ihr Sohn Winston?
Lang Lang: Er mag zwei grundsätzlich gegenseitige Abschnitte. Er ist in das Cello vernarrt - er hatte gestern seine erste Cellostunde. Er ist gerade mal drei Jahre alt, aber er hat sich das ausgesucht. Wie Sie wissen, ist das der kleine Bruder vom Kontrabass, der den Elefanten im "Karneval der Tiere" darstellt und er liebt ihn - und natürlich den Schwan. Er singt die ganze Zeit, und ich soll es ihm immer wieder vorspielen. Das sind eher tiefe Melodien, die er mag. Dafür, dass er noch so klein ist, mit einer hohen Stimme, ist das ein wirklicher Kontrast.
Ihr Vater hatte einen recht strengen Umgang in der Musikerziehung. Wie wollen Sie damit umgehen: wie viel Druck, wie viel Loslassen?
Lang Lang: Im Moment bin ich entspannt. Ich zwinge ihn zu nichts, natürlich auch nicht zur Musik. Er ist sehr interessiert am Cellospielen und am Tanzen. Ich glaube, als Elternteil sollte man eine gute Musikinspiration sein. Man kann eine Playlist zusammenstellen. Es ist egal, ob die Kinder es lernen wollen oder nicht, aber die Musik sollte immer ein guter Freund sein.
Alles wird komplizierter: Der Westen ist aus der Sicht des Ostens nicht mehr das, was er mal war. Beeinflusst das westliche Klassik auf dem chinesischen Musikmarkt? Ist es noch das Gleiche wie vor 20 Jahren?
Lang Lang: Es gab eine große Aufmerksamkeit für Klassische Musik in China. Seit Kurzem sinkt das Interesse ein bisschen. Ich denke, die Kinder lernen zu viel und es bleibt keine Zeit mehr zum Üben. Aber es gibt auch einen größeren Zuwachs unter den jüngeren Kindern, deren Eltern wollen, dass ihr Kind ein Instrument lernt wie Flöte oder Klarinette, um die Verbindung zur Welt zu halten. Es gibt auch eine große Entwicklung der chinesischen Volksmusik. Es gibt neue Werke, mehr Touren, mehr Konzerte, die chinesische Gruppen in den Mittelpunkt rücken. Das ist eine positive Entwicklung und ich hoffe, dass es so weiter geht. Das ist für alle gut.
Es ist interessant, dass die Menschen überall auf der Welt zu ihrer traditionellen Musik zurückkehren.
Lang Lang: Ja, das ist interessant. Es ist gut, dass die Menschen wieder zu ihrer traditionellen Musik zurückkehren. Es ist schön, dass sich die Menschen in der westlichen Welt dafür interessieren: Wie spielt man chinesische Musik und wie klingen chinesische Instrumente? Das ist definitiv auch interessant für die Zuhörer.
Camille Saint-Saëns' Concerto ist ein verkanntes Werk, haben Sie gesagt. Sie vergleichen den zweiten Satz mit Mendelssohns "Sommernachtstraum". Warum?
Lang Lang: Ich liebe das Concerto sehr, aber immer, wenn ich es spielen möchte, sind die Orchester nicht glücklich. Im letzten Jahr habe ich es geschafft, eine Aufnahme zu machen und ein Orchester für mich zu gewinnen: das Leipziger Gewandhausorchester. Alle sagten mir, dass sie dieses Konzert seit 60 Jahren nicht mehr gespielt haben.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.