Mitglieder der NDR Radiophilharmonie stehen vor der Acros Symphony Hall in Fukuoka: Susanne Geuer (Klarinette), Carlos Campos Medina (Viola), Ivo Dudler (Horn), Fabrizio Scilla (Solo-Cello), Frank Wedekind (1. Violine) © NDR / Friederike Westerhaus Foto: Friederike Westerhaus

NDR Radiophilharmonie in Japan: Minutiös geplante Tournee

Stand: 22.11.2022 09:41 Uhr

Die NDR Radiophilharmonie tourt gerade durch Japan, wo sie insgesamt zehn Konzerte gibt. Friederike Westerhaus begleitet die Tournee und berichtet von ihren Eindrücken. 

Angenehm warm mit Temperaturen um 19 Grad Celsius ist es derzeit in der südjapanischen Küstenstadt Fukuoka. Auf Einladung einer japanischen Konzertagentur tourt die NDR Radiophilharmonie zwölf Tage durch Japan. Nach einem Auftritt in Osaka steht Fukuoka auf dem Reiseplan, danach geht es weiter nach Tokio.

Du bist gerade im Konzertsaal in Fukuoka - das ist ein aufregender, gläserner Pyramidenbau. Wie wirkt der Saal von innen? 

Friederike Westerhaus: Die Acros Symphony Hall hat einen tollen Saal und liegt im Herzen der Stadt. Das Orchester fühlt sich sehr wohl auf der Bühne. Es ist eine klassische Schuhbox mit mittelbraunem Holz, 1995 gebaut,  frisch renoviert. Der Saal hat einen ganz warmen Klang, ist aber dabei sehr klar. Auch architektonisch ist die Acros Symphony Hall ansprechend: Das Gebäude ist terrassenförmig angelegt, und die Terrassen sind begrünt. Das ist ein echter Hingucker.

Man muss aber auch sagen: Fast alle Säle, die wir gesehen haben, sind wirklich großartig, mit einer hervorragenden Akustik, sehr transparent, mal ein bisschen wärmer, mal ein bisschen brillanter im Klang. Es gibt natürlich Unterschiede. Ein Favorit des Orchesters war Niigata - da haben viele gesagt, den müsste man 1:1 einpacken und mit nach Hannover nehmen.

Apropos mitnehmen: Ihr habt jede Menge Gepäck dabei und seid zwölf Tage unterwegs, gebt zehn Konzerte in acht Städten - was heißt das logistisch?

Mitglieder der NDR Radiophilharmonie sitzen im japanischen Schnellzug Shinkansen, einige schlafen. © NDR / Friederike Westerhaus Foto: Friederike Westerhaus
Unterwegs im japanischen Schnellzug Shinkansen: Viele Mitglieder der NDR Radiophilharmonie nutzen die Zeit für ein Nickerchen.

Westerhaus: Das ist in der Tat eine echte Herausforderung. Heute sind wir zum Beispiel knapp 600 Kilometer gereist. Die größeren Instrumente wurden direkt nach dem Konzert gestern Abend in Osaka in einen LKW geladen und auf den Weg gebracht. Zusätzlich zu den Orchesterwarten helfen immer sechs Leute vom jeweiligen Saal vor Ort. Die stehen dann schon parat und es geht extrem schnell, alles in die Kisten zu packen. Die Musikerinnen und Musiker hatten 20 Minuten Zeit, um zu packen, für zwei Tage Handgepäck.

Wir haben uns nämlich heute im Shinkansen, dem japanischen Schnellzug, auf den Weg in den Süden gemacht, mit einer Spitzengeschwindigkeit um die 300 km/h. Da werden die Koffer nicht mitgenommen. Diese Züge halten nur zwei Minuten. Es ist schlicht nicht machbar, 70 Leute mit Gepäck so schnell ein- und aussteigen zu lassen. Obwohl an den Bahnsteigen genau markiert ist, wo man sich hinstellen muss. Die Tourmanager haben jedes Mal Schweißperlen auf der Stirn. Es gibt einen Signalton, nach dem sich die Türen automatisch schließen. Wer nicht drin ist, hat Pech gehabt. So ein straffer Tourneeplan lässt sich wirklich nur in Japan umsetzen. Die Züge sind super verlässlich, alles ist total pünktlich, auch die Busse stehen immer schon bereit. Das Ganze ist minutiös durchgeplant. 

Das ist wahrscheinlich auch anstrengend. Wie halten sich die Orchestermitglieder unterwegs fit? 

Westerhaus: Eine Parole ist: schlafen, wenn man kann. Denn am Anfang hat natürlich auch der Jetlag eine Rolle gespielt. Inzwischen sind alle ganz gut im Rhythmus. Es bleibt aber wenig Zeit zwischen Reisen, Proben und Konzerten. Viele packen im Hotelzimmer ihr Instrument aus, um wenigstens etwas zu üben. Aber es ist natürlich auch wichtig, sich zu bewegen: Einige gehen spazieren, andere haben Yogamatten dabei. Den Orchestermanager Matthias Ilkenhans konnte man heute früh in Osaka im Konzerthemd joggen sehen, er hatte beim Umpacken nicht ganz aufgepasst.

Airi Suzuki steht im Hotelzimmer in Osaka vorm Fenster und übt Geige. © NDR / Friederike Westerhaus Foto: Friederike Westerhaus
Geigerin Airi Suzuki beim Üben im Hotelzimmer in Osaka.

In Nagoya hatten wir etwas mehr Zeit, da war auch Massage beliebt. Und ganz wichtig ist auch für viele, nach dem Konzert essen zu gehen, um innerlich etwas herunterzukommen. Das setzt allerdings voraus, dass man mit dem Bestellen klarkommt. Die Oboistin Johanna Stier hat mir erzählt, dass sie im Restaurant komisch angeguckt wurden: Sie hatten minutenlang die Karte falsch herum gehalten, ohne es zu merken. 

Bei uns hört man oft, dass Konzerte noch spärlich besucht sind. Wie ist das in Japan - und tragen die Leute Masken in den Konzertsälen?

Westerhaus: Ja, die Leute müssen Maske tragen, aber nicht mit Abstand sitzen. Insgesamt wird hier gesagt, dass die Besucherzahlen im Verhältnis zu vor der Pandemie um 20 Prozent zurückgegangen sind, das ist ein bisschen ähnlich wie bei uns. Was anders ist ist und hier noch hinzukommt: Die Leute sollen nicht "bravo" rufen. Sie sollen möglichst wenig reden und wegen der Ansteckungsgefahr vokale Äußerungen zurückhalten.

Das ist dann schön still in den Konzerten. Hast du außerhalb der Konzerte schon was erlebt, was dir besonders in Erinnerung geblieben ist? 

Westerhaus: Eine besondere Begegnung war für mich in Nagoya. Da hab ich mich auf den Weg zu einem Tempel gemacht, bei dem man sich über eine japanische Website anmelden musste. Das ging total schief, ich hatte den falschen Tag gebucht. Aber ein Mönch hat mich dann trotzdem hereingelassen und mich zu einem Pavillon gebracht, wo man Tee bekam und meditieren konnte. Ich habe mich ganz zurückhaltend verhalten, doch er fragte mich plötzlich, ob ich auf Facebook sei. Und ob wir ein Foto machen könnten. Dann hab ich da eine Stunde verbracht, ganz friedlich. Es war ein wunderschöner Zen-Garten, einfach eine Atempause. Hinterher hatte er mich dann schon gegoogelt, wusste, dass ich Journalistin bin und wollte wissen, ob ich Fußballfan bin. Das fand ich schon sehr witzig, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

 

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