Album der Woche: Yulianna Avdeeva glänzt mit Spätwerken von Chopin
Auf ihrem neuen Chopin-Album spielt die Russin Yulianna Avdeeva mit feiner Eleganz, sehr klug und frei, brillant und mühelos. In Sachen Chopin hat die 39-Jährige wirklich etwas zu sagen.
Ein paar Sekunden nur und Yulianna Avdeeva versetzt mit dem Nocturne H-Dur Op. 62 in einen Zauber, mit warm-rundem Ton, ruhig und gelassen. Die Pianistin forciert nichts. Es scheint, dass sie sich intensiv in Chopins Melancholie eingefühlt hat, in seinen Schmerz, in seine Sehnsucht.
Chopin wehrt sich gegen sein Schicksal
Alle Titel auf diesem Album sind Spätwerke: Die beiden Nocturnes, die Polonaise-Fantaisie, die dritte Klaviersonate, die drei Mazurken - sie wurden komponiert, als Chopin von seiner tödlichen Tuberkulose-Krankheit bereits wusste. Da kann man ein Aufbegehren, ein verzweifeltes Wehren gegen das Schicksal wahrnehmen.
Solche virtuosen und auch komplexen Passagen geht Yulianna Avdeeva sehr besonnen an. Sie zeichnet klare melodische Linien. Aber sie hat auch Brillanz und Kraft.
Yulianna Avdeeva überzeugt mit Reife, Klarheit und Gelassenheit
Schon 2010, als Yulianna Avdeeva den legendären Chopin-Wettbewerb gewann, war ihr Chopin-Spiel sehr durchdacht und technisch souverän, frisch und leidenschaftlich. Jetzt, 14 Jahre später, klingt es noch fokussierter und auch reifer - es strahlt Weisheit aus. In Sachen Chopin hat die 39-Jährige wirklich etwas zu sagen.
Die Reife, die Klarheit und Gelassenheit bei Yulianna Avdeeva haben auch nichts Statisches. Im Gegenteil: Da vermittelt sich in jeder Sekunde eine Entdeckerfreude, eine Lust, für die musikalischen Details die richtige Farbe, den richtigen Anschlag zu finden. Da funkeln die virtuosen Läufe hell und klar, da drücken gewichtige Akkord-Kaskaden abgründige Gefühle aus, da leuchten schöne und schmerzvolle Melodien in der Mittellage des Klaviers.
Eines der stärksten Chopin-Alben überhaupt
Dass Yulianna Avdeevas Ton so weich und mühelos klingt und eine starke Intensität selbst im Pianissimo hat, liegt auch an dem Instrument, das sie spielt. Es ist der Flügel von Vladimir Horowitz, ein Steinway mit einem besonders leichten Anschlag, mit weniger Widerstand der Tasten. Yulianna Avdeeva gelingen hier atemberaubende Pianissimo-Töne und genauso ein kraftvolles Forte, das aber nie überzogen ist.
Yulianna Avdeeva spielt Chopin mit feiner Eleganz, sehr klug und frei, brillant und mühelos - einfach berührend. Das ist eines der stärksten Chopin-Alben überhaupt.
Chopin: Voyage
- Zusatzinfo:
- Yulianna Avdeeva, Klavier
- Label:
- Pentatone