Musiker, Weltbürger, Friedensstifter: Daniel Barenboim ist 80 geworden
Mit seiner Arbeit hat Daniel Barenboim sich für Frieden und Verständigung eingesetzt, etwa mit dem West-Eastern Divan Orchestra, bei dem arabische und israelische Musiker zusammen spielen.
"Er ist wahrscheinlich der größte Musiker unserer Zeit." Dirigenten-Kollege und Freund Zubin Mehta spart nicht mit Superlativen, wenn er über Daniel Barenboim spricht. Auch ein anderer großer Kollege, der 2019 verstorbene lettische Dirigent Mariss Jansons, hat seine Bewunderung ausgesprochen: "Er ist für mich eine sehr große Autorität, ein fantastischer Musiker und ein wunderbarer Leiter. Er kann seine Ideen durchführen und die Leute überzeugen."
Daniel Barenboim - das Wunderkind
Schon 1954 sagte der legendäre Wilhelm Furtwängler: "Der elfjährige Barenboim ist ein Phänomen!" Furtwängler lud den Jung-Pianisten sogar ein, mit den Berliner Philharmonikern zu spielen. Doch der Vater lehnte ab. Die Familie hatte russisch-jüdische Wurzeln. Sie war nach Argentinien emigriert, wo Barenboim am 15. November 1942 geboren wurde. Die Einladung zu den Berliner Philharmonikern kam dem Vater 1954 nur neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und der Judenvernichtung in den deutschen Konzentrationslagern zu früh. Doch Furtwängler versorgte den jugendlichen Barenboim mit einem Empfehlungsschreiben, das ihm Türen öffnete.
Parallele Ausbildung als Pianist und Dirigent
Daniel Barenboim war ein pianistisches Wunderkind. Seine einzigen Klavierlehrer waren seine Eltern, beide Pianisten. In Argentinien lernte er früh wichtige Musiker kennen, darunter die Dirigenten Sergiu Celibidache und Igor Markewitsch. Bei letzterem studierte Barenboim schon mit neun Jahren Dirigieren und wurde fortan parallel als Pianist und Dirigent ausgebildet. Die Familie zog 1952 nach Israel, aber schon bald lebte sie mehr in Europa. Daniel Barenboim wurde zum Beispiel Schüler der Pianistin, Dirigentin, Komponistin und Pädagogin Nadia Boulanger in Paris.
Mit 32 musikalischer Direktor des Orchestre de Paris
In den 1960er-Jahren arbeitete Barenboim mit Dirigenten wie Otto Klemperer oder John Barbirolli zusammen. Er war weltweit als Pianist gefragt und immer öfter auch als Dirigent unterwegs. 1967 debütierte er in London mit dem New Philharmonia Orchestra. 1973 leitete er mit Mozarts "Don Giovanni" seine erste Oper und 1975, mit 32 Jahren, wurde er musikalischer Direktor des Orchestre de Paris. Es war seine erste feste Position, und weitere sollten folgen: beim Chicago Symphony Orchestra etwa und ab 1992 als Generalmusikdirektor der Staastkapelle und der Staatsoper unter den Linden in Berlin. Diese Position hat er bis heute.
Ein Schicksalsschlag war für Barenboim der Tod seiner ersten Frau, der Cellistin Jacqueline du Pré, die mit nur 42 Jahren an Multipler Sklerose gestorben war. Mit seiner zweiten Frau, der Pianistin Elena Bashkirova, hat er zwei Söhne. Einer, Michael, macht Karriere als Geiger.
West-Eastern Divan Orchestra: Engagement für den Frieden
Eines von Daniel Barenboims größten Verdiensten ist zweifellos die Gründung des West-Eastern Divan Orchestra im Jahr 1999, gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said. Hier spielen arabische und israelische Musiker bis heute zusammen. Barenboim gelang es auch, staatliche Mittel von immerhin 20 Millionen Euro zu akquirieren für die Gründung der Barenboim-Said Akademie in Räumen der Staatsoper Berlin. 2017 wurde sie eingeweiht. Der zugehörige Pierre Boulez-Konzertsaal wurde binnen kürzester Zeit zu einer neuen wichtigen Spielstätte in Berlin. Künstler aus der ganzen Welt treten dort auf.
Multikulturelles Argentinien als Vorbild
Die Wurzeln von Daniel Barenboims humanistischem, friedensstiftendem Engagement liegen wohl in den ersten zehn Jahren seines Lebens in Argentinien. In dem multikulturellen Land gab es Juden, die stolze Argentinier waren, genau wie Deutsche, Italiener oder Muslime, die sich ebenfalls als Argentinier fühlten. Hier habe er gelernt, sagt Barenboim, dass man den anderen respektieren müsse. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Kritik an Daniel Barenboims Führungsstil
Dennoch wurde in der Staatskapelle Berlin im Februar 2019 Kritik an Barenboims Führungsstil laut. In einem Artikel des Onlinemagazins VAN berichteten Musiker anonym von einer Atmosphäre der Angst bei den Proben. Der Dirigent sei launisch und despotisch und habe auch Musiker bloßgestellt. Barenboim hat dies zurückgewiesen, aber zugegeben, dass er sich "ab und zu aufrege", und dies mit seinem südamerikanischen Temperament begründet. Das Orchester und Opernintendant Matthias Schulz haben sich aber hinter den Chefdirigenten gestellt. Es sollen klärende Gespräche stattgefunden haben. Im Juni 2019 wurde Barenboims Vertrag als Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden bis 2027 verlängert.
Konzert zum 80. Geburtstag in Berlin abgesagt
An seinem 80. Geburtstag, dem 15. November, hätte Daniel Barenboim als Pianist in der Berliner Philharmonie spielen sollen. Doch das Konzert mit der Staatskapelle Berlin, die ihn zu ihrem Chefdirigenten auf Lebenszeit ernannt hat, musste aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden.
Seit einigen Monaten wird immer wieder berichtet, dass Barenboim gesundheitlich angeschlagen ist. Er hat viele Dirigate abgesagt, unter anderem beim neuen Wagnerschen Ring-Zyklus an der Staatsoper unter den Linden. Auf Twitter kündigte er Anfang Oktober vorerst seinen Rückzug an und schrieb: “Mein Gesundheitszustand hat sich in den letzten Monaten verschlechtert und es wurde eine schwere neurologische Erkrankung bei mir diagnostiziert.”
Die Staatsoper Berlin schrieb zum ausgefallenen Geburstagskonzert : "Wir hoffen, das Konzert zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu können."