Last Night of the Proms: Mit Kazoos, Tennisschlägern und den großen Hits
NDR Kultur hat die BBC Last Night of the Proms aus London übertragen. Davor hat Moderator Philipp Schmid im Interview einen Ausblick gegeben.
Seit 1895 gibt es die Proms in London. Die Promadenkonzerte, die Sir Henry Wood ins Leben gerufen hat, bieten leicht zugängliche und günstige Klassik für jedermann. Heute geht die diesjährige Saison des Klassikfesivals mit dem 73. Konzert der berühmten Last Night of the Proms zu Ende. NDR Kultur überträgt das Konzert ab 20 Uhr live aus der Royal Albert Hall in London - moderiert von Philipp Schmid.
Philipp, worüber können wir uns denn heute besonders freuen?
Philipp Schmid: Wir können uns auf wahnsinnig viel freuen. Es ist wirklich ein buntes, abwechslungsreiches, vielseitiges Programm. Es wird sehr schwungvoll, sehr energiegeladen. Es gibt zwei tolle Uraufführungen. Es gibt Hits und etwas zum Entdecken. Es wird sehr humorvoll, innig und rührend. Es wird auch sehr sportlich - ein Teil des Chores hat Tennisschläger dabei. Olympia, die Paralympics und die Fußball-EM werden eine Rolle spielen. Im Chor sind, zusätzlich zu den Tröten im Publikum, fast 150 Kazoos dabei, also diese kleinen Instrumente, die so klingen, als wenn man auf einem Kamm blasen würde.
Natürlich können wir uns auch auf fantastische Solisten freuen: auf den britischen Pianisten Stephen Hough etwa, einen absoluten Publikumsliebling. Und auf die amerikanische Sopranistin Angel Blue. Sie sollte vor zwei Jahren schon einmal ein Konzert bei den Proms geben, das dann aber ausgefallen ist. Damals war sie schon hinter der Bühne, als die Nachricht vom Tod der Queen kam. Man hat sich dann entschlossen, zusammen "God Save the King" zu singen - und das war's. Deshalb freut sich Angel Blue auf den heutigen Abend natürlich ganz besonders.
Bei der Last Night of the Proms sind ja am Ende immer diese ganz berühmten Stücke dabei, auf die alle warten und bei denen die Leute lauthals mitsingen. Ist das immer genau dasselbe?
Schmid: Ja. Es ist ein bisschen wie Silvester: Man wartet auf Mitternacht, aufs Feuerwerk und das Anstoßen. Man weiß, das kommt irgendwann. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht auch schon vorher eine fröhliche Party feiern, melancholisch werden oder gerührt zurückschauen kann. Es gibt wirklich eine Menge zu entdecken bei diesem Konzert: Gospel, Jazz, hervorragend gespielte Klassik des Orchesters - das Programm ist ganz toll. Und auch bei diesen Crowdpleasern, also diesen englischen Stücken, auf die wir alle warten und die zu jeder Last Night of the Proms gehören, gibt es hin und wieder kleine Veränderungen. Die größte vermutlich: Es gibt die beliebten Proms in the Park nicht mehr. In der Corona-Krise wurde aufgehört, in diese Landesteile zu schalten. Einige Konzerte hatten da unter freiem Himmel stattgefunden, mit den jeweiligen BBC-Orchestern der Region in Wales, Schottland und Nordirland. Aus Kostengründen hat sich die BBC entschlossen, damit Schluss zu machen. Die British Sea Songs werden übrigens daher in einem neuen Arrangement daherkommen - der Chor hat jetzt ein bisschen mehr zu tun. Und letztlich: "Rule Britannia /Land of Hope and Glory" und "God Save the King" - da warten wir ohnehin alle drauf.
Jubiläen spielen ja auch immer eine große Rolle: 2022, im Jahr, als die Queen gestorben ist, sollten eigentlich 100 Jahre BBC groß gefeiert werden. Wie sieht es in diesem Jahr mit Jubiläen aus?
Schmid: Bei diesem Konzert heute Abend spielen die großen Komponisten-Jubiläen gar keine so große Rolle. Es gibt keinen Bruckner, keinen Schönberg. Aber Giacomo Puccini hat im November seinen hundertsten Todestag - und Angel Blue ist eine große Puccini-Sängerin. Auch auf Gabriel Faurés hundertsten Todestag wird Rücksicht genommen. Aber man darf nicht vergessen: In den 72 Konzerten in diesen acht Wochen wurde viel Bruckner und Schönberg gespielt und auch anderer Komponisten gedacht.
Außerdem gibt es in diesem Jahr das Jubiläum 100 Jahre BBC Singers. Die BBC Singers sind der einzige Full-Time-Berufschor in Großbritannien. Der Chor hat 18 Mitglieder: fünf Soprane, vier Alte, vier Tenöre, fünf Bässe - es ist also ein ganz kleines Ensemble, das wunderbar singen wird heute Abend. Es wurde in den Kindertagen des Rundfunks gegründet, 1924. Ganz lustig: Die BBC Singers hießen damals die Wireless Singers - also die Sänger, die kabellos zu den Leuten kommen.
Philipp, du warst jetzt schon bei der Probe, du bist vor Ort. Wie ist die Stimmung? Und wann wird es so richtig prickelnd in der Royal Albert Hall?
Schmid: Prickelnd war es eigentlich gestern schon. Es ist ein bisschen ungewöhnlich, dass es am Tag vorher schon eine Probe gab - weil eben viel geprobt werden muss. Die beiden Uraufführungen sind relativ schwierig. Da hat auch der Chor ordentlich zu tun und es kommen halt diese Tennisschläger zum Einsatz. Heute Nachmittag wird noch einmal geprobt und um 20 Uhr deutscher Zeit geht es los, worauf alle sehr gespannt sind.
Die BBC hat heute übrigens etwas Besonderes vor: Sie überträgt den ganzen Tag live aus der Royal Albert Hall. Verschiedene Moderatoren des Klassik-Programms sind da und senden bis zum Konzert, das dann bis kurz vor Mitternacht geht.
Das Interview führte Friederike Westerhaus.