Klima im Theater: 2. Sinfoniekonzert im Oldenburgischen Staatstheater
Das Oldenburgische Staatstheater widmet sich in dieser Spielzeit in diversen Sparten, in Ausstellungen und Vorträgen den klimatischen Wirren der Welt - so auch eindrucksvoll im 2. Sinfoniekonzert mit vier Werken, das NDR Kultur am 20. November 2022 aufgezeichnet hat und das bis zum 9. Januar 2024 in der ARD Audiothek und der NDR Kultur App zu hören sein wird. Am Abend läuft das Konzert auch im Programm.
Die Idee von Daniel Michael Kaiser, Klänge aus der Arktis mit einer Orchesterkomposition zu verbinden, begeistert den Generalmusikdirektor des Oldenburgischen Staatstheaters Hendrik Vestmann vom ersten Moment an. Davon inspiriert konzipiert Hendrik Vestmann für das 2. Sinfoniekonzert mit dem Oldenburgischen Staatsorchester nach langwierigen Literaturstudien ein Programm, das die Fragilität der Natur thematisiert und unausweichlich jeden berührt.
"White, Vanishing" von Daniel Michael Kaiser (*1978)
Daniel Michael Kaiser studiert zunächst Schlagwerk an der Hochschule für Musik Detmold und an der Filmuniversität "Konrad Wolf" in Berlin Babelsberg Filmmusik. Seine Musiksprache begleitet manchen Tatort und den Kino-Film "Lieber Thomas". Im Frühjahr 2022 reist der Künstler mit Wissenschaftler*innen des Alfred-Wegener-Instituts zur Arktis-Forschungsstation AWIPEV auf dem norwegischen Spitzbergen-Archipel, nach Ny-Ålesund. Schon vor der Exkursion entscheidet Kaiser, seine Komposition "White, Vanishing" in zwei Teilen anzulegen: "White" als Inbegriff der überwältigenden Eindrücke von Naturschauspielen in der Arktis und "Vanishing" als das stetige Verschwinden des "ewigen Eises". Fünfzehn Aufnahmen stehen unverändert als eigenständige Stimme in der Partitur und "die Musik macht die Einspielungen stärker und die Einspielungen die Musik", so beschreibt Hendrik Vestmann die Synthese aus aufgenommener Atmosphäre und Orchesterklang.
Konzertouvertüre "Otto der Schütz" op.12 von Ernst Rudorff (1840 - 1916)
Das Konzert eröffnet ein Werk von Ernst Rudorff: Der 1840 in Berlin geborene Klavierschüler von Clara Schumann, Dirigent der Berliner Philharmoniker, Editor der Werke Chopins, Mozarts und Webers passt als Pionier der Naturschutzbewegung und des Heimatschutzes - in den Fachkreisen bekannt, auf Konzertpodien zu Lebzeiten hoch geachtet, nach seinem Tod 1916 fast vergessen - maßgeschneidert in das Programm des Klima-Konzertes im Oldenburgischen Staatstheater. Seine Tochter Elisabeth schreibt über ihren Vater: "Nicht Liebhaberei, sondern künstlerischer Instinkt und reife Einsicht treiben ihn an, den innigen Zusammenhang mit dem Urgrund allen Lebens, mit der Heimat zu wahren und damit sie selbst zu erhalten und zu schützen. Die Heimat ist die Quelle seines inneren Reichtums, seiner stillwirkenden Kräfte."
"Rain tree" von Tōru Takemitsu (1930-1996)
Der japanische Komponist Tōru Takemitsu wird am 8. Oktober 1930 in Tokyo geboren. Im Alter von 16 Jahren beschließt er, Komponist zu werden. In der Nachkriegszeit hört er über den Rundfunk der amerikanischen Besatzer westliche Musik - neben Jazz vor allem klassische Musik von Debussy und Copland, aber auch von Schönberg. Sein Interesse an verschiedensten künstlerischen Ausdrucksformen prägt seinen avantgardistischen Stil. Schon um 1950 arbeitet er mit Tonbandgeräten, um aus "realen" Klängen ("musique concrète") Musikcollagen zu schaffen. In dem 1981 komponierten "Rain Tree" umspielen drei virtuose Schlagzeuger den Wasserkreislauf der Welt - mit Blick auf die Besonderheiten eines Regenbaumes.
"Sinfonia Antartica" von Ralph Vaughan Williams (1872-1958)
Der britische Komponist Ralph Vaughan Williams nimmt Privatunterricht bei Max Bruch und Maurice Ravel, ist als Organist tätig, sammelt und veröffentlicht englische Volkslieder und ein neues Kirchengesangbuch. Im Laufe seines Lebens entstehen Opern, Ballette, Kammermusik, religiöse wie säkulare Vokalwerke sowie Orchesterkompositionen, darunter neun Sinfonien. Die "Sinfonia Antartica" entstand als Soundtrack fürs Kino und wandelte sich in ein fulminantes Orchesterwerk für Konzertsäle. Im Film wie auch in der Fassung für Konzertpodien geht es erbarmungslos um den vermessenen Kampf des Menschen mit der Natur - gegenwärtig im Bemühen um die Bewahrung der Natur endlich ein Kampf für die Natur.
Weit mehr als ein Hörerlebnis
Das 2. Sinfoniekonzert des Oldenburgischen Staatstheaters ist weit mehr als ein Hörerlebnis - ein nachhaltiger, detaillierter Denkanstoß. Zudem ist das Oldenburgische Staatsorchester dem Verein "Orchester des Wandels" beigetreten, in dem sich Musiker*innen deutscher Berufsorchester verbinden, die Klima- und Naturschutz als wesentlichen Teil ihres Kulturauftrages definieren. Ihr gemeinsames Ziel ist "der Wandel zu einer nachhaltig lebenden Gesellschaft und der Erhalt unseres Planeten als lebenswerten Ort für die nachfolgenden Generationen."