CD Cover: Ludwig van Beethoven: Missa Solemnis op.123, Chen Reiss, Varduhi Abrahamyan, Daniel Behle, Tareq Nazmi, Audi Jugendchorakademie, Le Cercle De L’Harmonie, Jeremie Rhorer © Alpha

Hochdramatische Aufnahme von Beethovens "Missa solemnis"

Stand: 09.02.2025 06:00 Uhr

Der französische Dirigent Jérémie Rhorer hat sich mit seinem Originalklangensemble "Le Cercle de l’Harmonie" Beethovens "Missa solemnis" gewidmet. Mit dabei die Audi Jugendchorakademie und ein exzellentes Solistenquartett.

von Elisabeth Richter

Geistliche Werke hat Beethoven im Vergleich zu Mozart oder Haydn weit weniger komponiert. Aber es gibt die "Missa solemnis", eine "feierliche" opulente Messe von mehr als 70 Minuten. Beethoven pries sie seinem Verleger Schott als sein "größtes Werk" an. 1819 begonnen, wollte Beethoven die Messe eigentlich 1820 zur Inthronisierung seines Förderers und Schülers Erzherzog Rudolf zum Erzbischof von Olmütz schreiben. Doch erst 1824 wurde das Werk fertig und in St. Petersburg uraufgeführt. Heute erklingt die "Missa solemnis" relativ selten, unter anderem, weil der Chorpart immens schwer ist.

Beethovens humanistisches Statement

Warm, ausgewogen, aber immer durchsichtig ist der Klang, den Rhorer von Beginn an in der "Missa solemnis" mit seinem Ensemble gestaltet. Das berührt. Beethoven hält sich bei seiner "Missa" zwar an den traditionellen Text der katholischen Messe, er benutzt auch alte Kompositionstechniken von Bach oder noch älter, und doch ist alles ziemlich neu in dieser Messe. Beispielsweise der erste Choreinsatz.

Hier singen die Solisten sofort im Wechsel mit dem Chor, das gibt es eigentlich nicht vor Beethoven. Und dann: Beethoven hat mit seiner "Missa solemnis" sein persönliches humanistisches Statement komponiert. So wie auch in der fünften und neunten Sinfonie oder in der Oper "Fidelio" wird die Utopie einer besseren Welt beschworen. Aber besonders vehement in der "Missa solemnis".

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Jérémie Rhorer dirigiert mit viel Feingefühl

Jérémie Rhorer geht Beethovens oft auch gefährlich pathetischen humanistischen Überschwang mit viel Feingefühl an. Der Lobpreis im Gloria zum Beispiel kommt schon ziemlich schwungvoll daher, aber Rhorer vermeidet ein "Zuviel".

Eine Flöte "zwitschert" im Hintergrund - der Text heißt: "Et incarnatus est", "er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist". Jesus ist gemeint, der Mensch wurde. Mit der Flöte verweist Beethoven auf den Heiligen Geist in Gestalt einer Taube.

"Missa solemnis": Hochdramatisch und brandaktuell

Chen Reiss, Varduhi Abrahamyan, Daniel Behle und Tareq Nazmi sind das sehr gut harmonierende Solistenquartett. Das ist wichtig: In der "Missa solemnis" gibt es - anders als in früheren Messen - keine wirklichen Arien und nur wenige Soloabschnitte. Alles ist im Fluss durchkomponiert. Das kleinere Quartett im Kontrast zum großen Chor.

Im "Dona nobis pacem" am Schluss komponiert Beethoven noch einmal einen eindringlichen Friedensappell. Aber dann mischen sich fremde Klänge hinein. Pauken und Trompeten lassen an ein musikalisches Schlachtengemälde denken. Damit zeigt Beethoven, wie brüchig der Frieden ist. Viele Jahre tobten damals die Napoleonischen Kriege, und heute ist das brandaktuell. Eine der bewegendsten Stellen der "Missa solemnis".

Jérémie Rhorer gestaltet Beethovens "Missa solemnis" hochdramatisch. Er hat mit "Le Cercle de l’Harmonie", der Audi Jugendchorakademie und dem Solistenquartett die theatralischen Momente aufgespürt und effektvoll, aber nicht überzogen, "in Szene gesetzt", ohne die verinnerlichten und nachdenklichen Momente zu vernachlässigen. Einfach spannend!

Ludwig van Beethoven: Missa solemnis

Zusatzinfo:
Ludwig van Beethoven: Missa Solemnis op.123; Chen Reiss, Varduhi Abrahamyan, Daniel Behle, Tareq Nazmi, Audi Jugendchorakademie, Le Cercle De L’Harmonie, Jeremie Rhorer
Label:
Alpha Records

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonntag | 09.02.2025 | 09:10 Uhr

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