Erste Spielzeit in Neubrandenburg: Daniel Geiss hat einiges geplant
Für seine erste Spielzeit 2023/24 hat sich der neue Chefdirigent der Neubrandenburger Philharmonie einiges vorgenommen: Projekte mit und für junge Menschen und Gesprächsrunden, in denen alles gefragt werden darf.
Daniel Geiss ist voller Schwung und Ideen. Ab heute unternimmt er mit seinem Orchester, der Neubrandenburger Philharmonie, eine kleine Tournee durch Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Programm: ausschließlich Werke von Johann Sebastian Bach, und alle Solopartien werden mit Orchestermitgliedern besetzt.
Musik, die einfach klingt, für die aber alles stimmen muss, damit es für das Publikum ein besonderes Erlebnis ist. Daran arbeitet Dirigent Daniel Geiss mit den Musikerinnen und Musikern der Neubrandenburger Philharmonie. Seit September 2023 ist der 44-Jährige neuer Generalmusikdirektor (GMD). "Ich habe jetzt ein dreiviertel Jahr lang geplant, was wir mit dem Orchester in dieser Saison machen können und jetzt freue ich mich, dass es endlich losgeht", so der Dirigent.
Der junge Geiss: Musik im Blut
Geboren wurde Daniel Geiss in Essen. Aufgewachsen ist er aber in Hessen in einer musikalischen Familie - die Mutter ist Flötistin, der Vater Cellist. Und auch Daniel Geiss bleibt der Musik treu: In Bloomington in den USA studiert er Cello und Dirigieren. Ein Weg, der vorgezeichnet ist? "Ich glaube, das ist natürlich schon etwas, was einen prägt. Aber ich muss sagen, wir sind zwei Brüder in der Familie und mein Bruder macht gar nichts mit Musik. Also es ist glaube ich nicht zwingend so, dass es dann darauf hinauslaufen muss." Wenn Kinder aber viel mit Musik konfrontiert würden, bereichert das auf vielen Ebenen, findet Geiss. "Auch emotional kann man so viel lernen als Kind, wenn man sich viel mit Musik beschäftigt."
Die Konzertkirche Neubrandenburg - ein besonderer Ort
Geiss, der neben seiner Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern auch künstlerischer Leiter beim Kammerorchester in Belgrad ist, hat viele Konzerthäuser auf der ganzen Welt gesehen. Der Probenraum, das "Wohnzimmer" der Musikerinnen und Musiker der Neubrandenburger Philharmonie ist zugleich auch ihr Konzertraum. Eine Besonderheit: "Eigentlich proben alle Orchester in sehr kleinen Räumen und das ist, gerade wenn man ein großes Symphonieorchester probt, meistens sehr unbefriedigend, weil die Leute nicht richtig ausspielen dürfen. Es ist einfach zu laut für alle. Hier aber hat man die Situation, dass man sofort alles ausprobieren kann, so wie es auch im Original ist.", freut sich der Dirigent.
Doch nicht nur der Klang in der Konzertkirche Neubrandenburg sei ein Highlight, sondern auch die Atmosphäre im Raum. "Man fühlt sich einfach sehr wohl, man fühlt sich sehr aufgehoben. Es ist sehr angenehm, hier Musik zu machen, und das ist etwas, was sich im Klang sofort widerspiegelt."
Claveria: "Beim Solo muss man den Leistungsdruck aushalten können."
Hand in Hand arbeitet Geiss im Orchester mit der ersten Violine, besetzt durch Elsa Claveria und Friederike Jahn als zweiter Violine. Die beiden geben die Anweisungen des Dirigenten an das restliche Orchester weiter. Dafür muss man konzentriert auf die anderen Musikerinnen und Musiker achten, erklärt Jahn: "Das Zusammenspielen lernt man schon im Hochschulorchester. Das ist eigentlich auch das Schöne daran, dass man quasi in seiner ganzen Orchesterlaufbahn nie aufhört, den anderen zuzuhören."
Beide Musikerinnen haben in dieser Konzertsaison außerdem Solo-Einsätze. Die brauchen viel Vorbereitung, so Elsa Claveria: "Man hört jede Note, die man spielt. Deswegen muss man sich auch vorbereiten, dass man sich trotzdem wohlfühlt, auch mit diesem Leistungsstress." Einen normalen Arbeitsalltag gäbe es im Orchester nicht. An Probentagen bereitet sich das Orchester gemeinsam intensiv auf den anstehenden Konzerttag vor. An freien Tagen muss im Selbststudium geübt werden.
Brahms erzählt vom Losgehen und Zweifeln
Für den Auftakt seiner ersten Konzertsaison in Neubrandenburg hat Geiss Werke von Künstlern ausgewählt, die ihm besonders am Herzen liegen. So ist die zweite Sinfonie von Brahms ein Teil des ersten Konzertes am 14. September, denn sie passe inhaltlich perfekt zum Neustart: "Es gibt eine Stelle in dem Stück, wo es dieses Abwägen, diese Zweifel gibt. Ich weiß nicht, geht es gut aus, geht es schlecht aus? Fast wie so eine kleine Panik, die hochkommt."
Geiss selbst helfe es auf dem eigenen Lebensweg immer wieder, sich an Vorbildern zu orientieren, einer davon ist sein Lehrer in Bloomington. "Er hat wirklich das erreicht, was er erreichen wollte und vollkommen in sich geruht. Das ist etwas, das ich von ihm insbesondere mitgenommen habe."
Schostakowitsch: Die Geschichte eines Unbeugsamen
Auch Werke des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch hat Daniel Geiss für seine erste Aufführung in der Konzertkirche Neubrandenburg eingeplant. Ihn beeindrucke die Art und Weise, wie Schostakowitsch mit der Musik seine Emotionen ausdrücke. "In der ersten Sinfonie spürt man, dass jemand einfach frei ins Leben hinausgeht. Und dann, in der vierten Sinfonie, kommt etwas, das einem wirklich die Seele zusammenpresst, wo es auch von Seiten des Regimes zu einem totalen Musikverbot kam. Und in der zehnten Sinfonie ist das letztendlich eine Abrechnung mit dieser ganzen Situation."
Geiss Ziel: Junge Leute für Klassik begeistern
Für diese Konzertsaison hat sich Geiss vor allem das Kennenlernen mit dem Orchester vorgenommen. Mit mehreren Projekten möchte er außerdem junge Leute für klassische Musik begeistern. Bei einem davon können Nachwuchsmusikerinnen und -musiker aus der gesamten Region Seite an Seite im Orchester mitspielen. Zuletzt möchte der neue Dirigent auch sein Publikum gut kennenlernen. So gäbe es vor den Konzerten Gesprächsangebote, bei denen Fragen zum Programm gestellt werden können.