Don Jaffé steht vor einem großen Bücherschrank und schaut lächelnd nach vorne. © Marcus Stäbler / NDR Foto: Marcus Stäbler
Don Jaffé steht vor einem großen Bücherschrank und schaut lächelnd nach vorne. © Marcus Stäbler / NDR Foto: Marcus Stäbler
Don Jaffé steht vor einem großen Bücherschrank und schaut lächelnd nach vorne. © Marcus Stäbler / NDR Foto: Marcus Stäbler
AUDIO: Don Jaffé, ein charismatischer Mann wird 90 Jahre alt (5 Min)

Don Jaffé: Energie und Widerstand

Stand: 25.01.2023 06:18 Uhr

Der Musiker und Komponist Don Jaffé hat den Holocaust überlebt und dem Antisemitismus in der Sowjetunion widerstanden. Seit 1975 lebt er in Bremen, wo er lange Zeit Solo-Cellist der Philharmoniker war. Am 24. Januar feierte er seinen 90. Geburtstag.

von Marcus Stäbler

"Ich will die Menschen direkt warnen, damit sie sich nicht gegenseitig vernichten!" Das ist die dringliche und leider wieder sehr aktuelle Botschaft von Don Jaffé. Ein charismatischer Mann, der vor allem in der Kindheit und Jugend miterleben musste, wie massenhaft Menschen vernichtet wurden. 70 Mitglieder seiner jüdischen Großfamilie wurden von den Nazis in der Geburtsstadt Riga umgebracht. "Mein Vater konnte nicht erfahren, wo sie begraben waren. Man hat sie einfach gestellt, erschossen und dann verbrannt." Don Jaffé selbst, seine Geschwister und die Eltern haben nur überlebt, weil sie 1941 aus Riga nach Nowosibirsk in Sibirien geflohen sind. Rund viereinhalbtausend Kilometer zu Fuß, ein Marsch über mehrere Monate, bei schlechter Ernährung. Auf dem Weg waren sie immer unter Beschuss durch deutsche Bomber. Davon ist noch eine sichtbare Narbe übrig geblieben. Jaffé deutet auf seine Stirn. "Einmal, bei einer Bombardierung, habe ich einen Splitter abbekommen." Doch er und seine Familie überstehen die Strapazen und Gefahren der Flucht.

"Sie haben sofort verstanden, dass ich Jude bin."

Nowosibirsk bringt etwas mehr Sicherheit, wird aber auch richtig hart. "Das Brot hat ausgesehen...es war alles drin, aber kein Mehl. Können Sie sich vorstellen, wie die Qualität war? Es gab Fröste bis minus sechzig Grad. Unterwegs wurde ich geschlagen, weil sie Wettbewerbe gemacht haben: Wer kriegt mich. Warum haben sie das gemacht? Weil dort nur Russen waren. Die haben ganz anders ausgesehen als ich. Sie haben sofort verstanden, dass ich Jude bin." Damit wird der damals gerade achtjährige Don zum Freiwild für die älteren Jungs. Aber er lernt sich zu wehren.

Don Jaffé: Energie und Widerstand

Noch heute ist seine Energie und Widerstandskraft zu spüren. Er geht regelmäßig laufen und führt am Ende des Besuchs noch seine Hanteln und Gewichte vor. Trotz der schweren Umstände in den ersten Jahren und Jahrzehnten seines Lebens wird der Hochbegabte ein erfolgreicher Cellist. Seine Karriere führt ihn über Israel und Berlin bis nach Bremen, wo er seit 1975 lebt und als Solocellist der dortigen Philharmoniker gespielt hat. Ende der Neunziger, nach der Pensionierung, fängt er an zu Komponieren. Seine Werke haben immer eine Botschaft. "Das ist Ziel meiner Musik! Wenn Sie zum Beispiel mein erstes Werk für Cello hören, dann merken Sie, was im ersten Satz für Kämpfe kommen."

Der Komponist will sein Leben genießen

"Passionen": so lautet der Titel der ersten Cellosonate, gespielt vom Sohn Ramon Jaffé, selbst ein erfolgreicher Cellist. Don Jaffé und seine Frau Elza sind spürbar stolz auf ihre beiden Kinder und die Enkel. Das Ehepaar feiert im Februar seinen 67. Hochzeitstag und verbringt jetzt mehr Zeit miteinander als früher. Denn Don Jaffé hat einen Schlussstrich unter sein Schaffen gezogen. "Eines Tages habe ich beschlossen, dass ich aufhöre, weil ich verstanden habe, dass ich alt bin. Ich habe noch nie gelebt. Ich habe nur gearbeitet und wollte es einmal genießen."

Weitere Informationen
Rosen liegen auf einem Gehweg neben Stolpersteinen - kleinen Gedenktafeln, die an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. © picture alliance / Norbert Schmidt Foto: Norbert Schmidt

Holocaust-Gedenktag: Erinnern an die Opfer der Nazis

Der 27. Januar ist in der Bundesrepublik seit 1996 "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" - begleitet von vielen Veranstaltungen. mehr

Nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee tragen Angehörige des Roten Kreuzes einen Jugendlichen aus dem Vernichtungslager. © picture alliance / akg-images | akg-images

Befreiung des KZ Auschwitz: Erinnern am Holocaust-Gedenktag

Am 27. Januar 1945 wurde das KZ befreit. Über eine Million Menschen starben dort. Seit 1996 wird am Tag der Befreiung der NS-Opfer gedacht. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 24.01.2023 | 14:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

NS-Zeit

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Christian Kind steht in seinem Plattenladen hinter der Kasse und lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Antonia Reiff

Gerettet durch Crowdfunding: Hamburger Plattenkiste macht weiter

Das Geschäft im Stadtteil Hoheluft versorgt Musikfans mit Vinyl und CDs - doch durch die Corona-Zeit und Schulden stand es kurz vor dem Aus. mehr