Anna Lucia Richter: Pasta als Nervennahrung am Konzerttag
Anna Lucia Richter ist vom Sopran in den Mezzosopran gewechselt. Darüber, wie sie sich auf ein Konzert vorbereitet und warum eine Generalprobe am Konzerttag keine gute Idee ist, erzählt die Sängerin im Interview.
Die Musik hat sie von klein auf begleitet, 1990 wurde Anna Lucia Richter in Köln geboren, in eine große Musikerfamilie hinein. Durchgestartet ist sie als Sopranistin, ab 2020 hat sie einen Fachwechsel vollzogen in Richtung Mezzosopran. Ein wichtiger Schritt für ihre internationale Karriere, der ihr Gastauftritte auch im Opernbereich bei den Salzburger Festspielen, im Theater an der Wien oder an der Oper Köln ermöglichte. Mit Konzertprojekten ist Anna Lucia Richter ebenfalls weltweit unterwegs, arbeitet unter namhaften Dirigenten wie zuletzt häufig auch Teodor Currentzis.
Was brauchen Sie an einem Konzerttag, damit Sie gut in den Tag starten können?
Anna Lucia Richter: Ruhe. Ich habe meinen Routineplan für Konzerttage. Da passiert eigentlich sehr, sehr wenig. Je weniger Ablenkung, desto besser. Ich bleibe da ganz bei mir und fokussiere mich, schlafe viel, esse rechtzeitig die richtige Menge an Pasta. Denn an Konzerttagen gibt es immer Pasta, möglichst ohne Knoblauch, da freuen sich die Kollegen.
Und Pasta ist gut für Sie, damit Sie dann gut durchhalten können?
Richter: Ja, das ist tatsächlich für mich die beste Nervennahrung. Einerseits kann ich das irgendwie auch essen, wenn ich nervös bin, und auf der anderen Seite hält es gut vor und hält lange, weil ich kann nicht eine halbe Stunde vor dem Singen viel essen. Das muss schon ungefähr drei Stunden vorher passieren. Dann nützt es nichts, wenn man nur ein kleines Salätchen zu sich nimmt, auch wenn das vielleicht damenhafter wäre.
Jetzt gibt es Sängerinnen und Sänger, die am Konzerttag vor dem Auftritt lieber gar nicht singen oder nur ganz unmittelbar vorher ein paar Einsingübungen machen, ansonsten tagsüber den Schnabel halten. Wie ist das bei Ihnen?
Richter: Das ist schon ähnlich. Ich mag keine Generalproben am Konzerttag. Manchmal kann man das für ein Orchester nicht anders disponieren. Aber die Gefahr ist einfach immer da, dass man vorher schon das kleine Glitzern in der Stimme und den Fokus verschenkt und nicht mehr für den Abend aufhebt. Man muss sich immer vorstellen, dass wir Sänger wenigstens drei, besser fünf Stunden vor dem Singen wach sein müssen, damit die Stimme wirklich gut durchblutet und fit ist und wir uns nicht wehtun. Das ist ähnlich wie bei Leistungssportlern. Wenn dann zum Beispiel eine Generalprobe um zehn Uhr ist, dann heißt das spätestens um sechs Uhr aufstehen und das an einem Konzerttag, wo abends der Fokus sein muss. Da kann sich jeder vorstellen, dass das nicht die beste Aufteilung der Kräfte ist. Ich singe gerne maximal eine halbe Stunde als Anspielprobe vor dem Konzert.
Das war mir nicht bewusst, dass es tatsächlich so lange braucht, bis die Stimme wirklich ganz da ist.
Richter: Das ist schon so. Vielleicht hört man nicht immer alles, aber man fühlt es selbst. Es geht auch einfach um die Flexibilität der Stimme, dass sie sozusagen freiwillig alles gibt und man nichts erzwingen muss. Das ist natürlich auf Dauer sehr wichtig.
Wir haben schon kurz Ihren Fachwechsel vom Sopran zum Mezzosopran anklingen lassen. Das haben Sie im Corona-Jahr 2020 gemacht. Warum haben Sie sich zu diesem Fachwechsel entschieden?
Richter: Weil es mir um Authentizität ging. Ich habe über zwei, drei Jahre gemerkt, dass die Stimme sich verändert. Das ist auch völlig normal, denn die Stimme ist tatsächlich das Organ im Körper, das als letztes ausgewachsen ist. Das heißt, erst mit Ende 20, Anfang 30 haben wir eine erwachsene Stimme. Vorher wächst die noch. Die fängt auch erst an sich von der Kinderstimme wirklich in die erwachsene Stimme zu entwickeln, dann wenn der Kehlkopf sich senkt. Das ist alles ein sehr physiologischer Prozess, der über viele Jahre geht. Ich habe früh mit dem Singen angefangen und es ist nur logisch, wenn mir jemand mit neun Jahren gesagt hat: 'Du bist Sopran', dass das nicht in Stein gemeißelt war. Es hat aber immer alles wunderbar funktioniert. Ich hatte die Höhe, auch für den Chor war das natürlich wichtig, im Sopran. Im Studium lief alles wunderbar. Und dann war natürlich die Devise: Never change a running system. Ich hatte mit Ende 20 das Gefühl, dass die Tiefe und die Mittellage immer runder wird und ich einfach wahnsinnige Freude daran habe, in dieser Lage zu singen und die Höhe gleichbleibt. Ich musste aber mit den Partien als leichter Sopran, die ich auf der Bühne gesungen habe, immer öfter mein altes Ich kopieren. Das steht natürlich dem Berühren und der Authentizität im Wege. Dann war klar, sobald der Kalender durch Corona völlig leer gefegt war und ich außerdem eine fantastische Lehrerin in Tel Aviv kennengelernt hatte, die schon mehrere Fachwechsel betreut hatte, wenn nicht jetzt, wann dann.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus. Anna Lucia Richter ist am 29. Juli in Hitzacker zu hören. Für das Konzert mit Ammiel Bushakevitz am Klavier gibt es noch Karten.