Album der Woche: Isabelle Faust spielt Pietro Antonio Locatelli
Pietro Antonio Locatelli - das ist der "Paganini des 18. Jahrhunderts". Isabelle Faust begibt sich auf die Spuren "eines Ausnahme-Virtuosen und eines zugleich außergewöhnlich ausdrucksstarken und fantasievollen Komponisten" - so schreibt sie es in ihrer Einführung.
Locatelli kommt uns hier nah, ein Teufelsgeiger, wahrscheinlich mit großen Händen und sicher mit langen Fingern, anders sei eine solche Akrobatik nicht denkbar, so die Geigerin, die selbst lustvoll die Verrücktheiten auszukosten scheint.
Dieser Pietro Antonio Locatelli, Jahrgang 1695, aus Bergamo, geht mit 16 nach Rom und wird dort so rasch bekannt, dass gleich sein op. 1 in Amsterdam gedruckt wird. Aus dieser noch dem Vorbild seines Lehrers Corelli ähnelnden Sammlung gibt’s zu Beginn eine Kostprobe mit zwei Sologeigen. Isabelle Faust und Stefano Barneschi spielen sich gegenseitig die Bälle zu, mit großem Vergnügen am Dialog.
Halsbrecherische Passagen
Locatelli reist umher, sorgt für Aufsehen, vernetzt sich, sein op. 3, "L’Arte del violino", ist gespickt mit halsbrecherischen Passagen, fingerbrecherischen Passagen - was muss er für eine Geige gehabt haben, die dieses Vogelgezwitscher in den höchsten Lagen noch möglich macht? Isabelle Faust geht davon aus, dass er zu den Vorreitern in Sachen Modernisierung der Geige gehört haben muss. Und dass er später "Paganini des 18. Jahrhunderts" genannt wird, liegt an den 24 Capricci, freien, spielerischen, gewitzten Stücken für Geige solo, die Locatelli in die Concerti einfügte - allerdings ad libitum, nach Belieben aufzuführen. Selten hört man sie - und warum? Isabelle Faust sagt es selbst: "Die Schwierigkeiten bewegen sich auch heute noch entlang der äußersten Grenze des technisch Möglichen."
Pietro Antonio Locatelli - was für eine Entdeckung
Einmal muss Locatelli in so hoher Lage gespielt haben in einem Konzert, dass er mit dem kleinen Finger im Steg steckengeblieben sein soll - und das ist nicht die einzige spektakuläre Geschichte über diesen durchaus umstrittenen Musiker. Solche Grenzen auszuloten und mit der ihr eigenen Energie wie Lust an der Differenzierung vorzustellen, gelingt Isabelle Faust mit "Il Giardino Armonico" auf staunenswerte Weise.
Die geglückte Auswahl enthält auch ein sehr opernhaft gestaltetes Concerto grosso mit dem Beinamen "Il pianto d’Arianna", das in eine andere, poetische Welt weist. Isabelle Faust nennt Locatelli einen "exzentrischen, berauschend-berauschten Geiger" - was für eine Entdeckung!
Pietro Antonio Locatelli - il virtuoso, il poeta
- Genre:
- Klassik
- Zusatzinfo:
- Isabelle Faust (Violine) / Il Giardino Armonico / Giovanni Antonini (Leitung)
- Label:
- harmonia mundi