Wie werden Jazzstudierende auf die Realität vorbereitet?
Die Arbeitsbedingungen von freiberuflichen Jazzmusikern und Jazzmusikerinnen sind prekär. Die meisten von ihnen besitzen einen Hochschulabschluss - und werden dennoch unterdurchschnittlich schlecht bezahlt. Wie werden sie im Studium darauf vorbereitet?
Immer mehr Musikbegeisterte entscheiden sich im Studium für Jazz und Popularmusik. In den vergangenen zehn Jahren konnten diese beiden Schwerpunkte massiv zulegen. Doch wo und wie werden die zukünftigen Musiker*innen arbeiten können? Die Arbeitsbedingungen von freiberuflichen Jazzmusikerinnen und Jazzmusikern sind prekär: Häufig gibt es wenig Geld, keine Sicherheiten und kaum Altersvorsorgemöglichkeiten. Die Situation war nie einfach - in der Corona-Pandemie hat sie sich noch einmal verschlechtert.
Ausbildung zu einseitig auf dem künstlerischen Werdegang
Sophia Göken studiert Jazzgesang in Hannover. Sie engagiert sich auch in der Fachschaft - kümmert sich darum, dass sich die Studienbedingungen aus Sicht der Studierenden stetig verbessern. "Ich würde mir wünschen, dass es Masterclasses oder Kurse bezüglich Förderanträge schreiben, Bookings et cetera gibt - und das Studierenden all dies erklärt wird", sagt Göken. "Es ist super viel Arbeit, sich das drauf zu schaffen: Diese ganze Arbeit kommt zu dem Kompositorischen hinzu."
Dass die Ausbildung vielerorts noch zu einseitig auf die künstlerische Weiterentwicklung abzielt, ist an den Hochschulen angekommen. Es gibt stellenweise schon Seminare oder Projekte, die versuchen, das ganze Berufsfeld abzudecken. "Im vierten Jahr arbeiten die Studenten bei uns ein Jahr lang in Projektbands: Förderung, Bookings, Aufnahmen - das ist alles da eingebaut", erzählt Anne Mette Iversen, Professorin für Jazz Komposition und Arrangement am Institut für Musik in Osnabrück. Zudem gebe es profilübergreifende Kurse zu "Musik und Gesellschaft" und eine Ringvorlesung mit Gästen von außen.
Engere Verzahnung mit der örtlichen Jazzszene ist nötig
Prozesse, Strukturen, Studieninhalte zu verändern, das geht im Hochschulbetrieb nur sehr langsam. Für Lehrende, die sich eine Veränderung in der Ausrichtung der Ausbildung wünschen, ist das sehr frustrierend. Hinzu kommt die schlechte Bezahlung. Wer einen Hochschullehrauftrag hat, der verdiene weniger als die Kollegen an den Musikschulen, sagt Jörn Marcussen-Wulff, Dozent an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Er lehrt auch an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Der Posaunist wünscht sich eine enge Verzahnung der Hochschule mit der jeweils aktiven Jazzszene vor Ort. "Die Szenen in den Städten, die machen genau das: Es gibt in jeder Stadt Player, die wissen zum Beispiel wie man Anträge stellt", schildert Marcussen-Wulff. "Man müsste es schaffen, die Studierenden näher an diese Leute zu bringen. Learning by Doing mit dem Sicherheitsnetz von der Hochschule."
In der Sendung "Jazz - Round Midnight" spricht Andrea Schwyzer mit zwei Hochschuldozenten und einer Professorin für Jazz über dieses Thema. Zudem geht es um die Frage, wie Geschlechterrollen durchbrochen werden können: Im Jazz sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert und müssen sich nicht selten gegen frauenfeindliches Verhalten wehren. Darüber spricht Schwyzer mit der Studentin Sophia Göken, die mit ihren Kommilitoninnen ein Kollektiv gegründet hat.