Feuerwerksmusik vom Hexenmeister der Tasten
Seit Oscar Petersons Tod sind regelmäßig unveröffentlichte Aufnahmen aufgetaucht. Auf "Con Alma" ist er mit seinem Trio bei einem Konzert im "Apollo-Theater" in Lugano im Jahr 1964 zu hören.
Die erste Begegnung mit diesem Musiker fand für mich tatsächlich im Fernsehen statt, genauer: am 2. Dezember 1972. "Wünsch Dir was", die außergewöhnlichste Quiz-, Familien- und Spielshow jener Jahre, feierte die letzte offizielle Ausgabe. Noch einmal stellten Gastgeberin und Gastgeber, Vivi Bach und Dietmar Schönherr, Familien auf die Probe: wie gut Eltern untereinander und Kinder sich mit ihnen verstehen - das war die Kernidee des Formats. Und für das offizielle Finale, live im ZDF in der Wiener Stadthalle, hatten sich Schönherr und Bach wohl einen Wunsch erfüllen dürfen: und so spielte Oscar Peterson auf dem Fernsehbildschirm.
Oscar Petersons Technik blieb unvergleichbar
Die Erinnerung ist immens präsent - an den wuchtigen Mann im Frack, an die immense Energie, die er aufbrachte für das Instrument, für die unerhört feinen Finger, die da über die Tasten rasten bis sie kaum noch zu unterscheiden waren und den Flügel fliegen ließen. Und schließlich natürlich auch für das sonore Gebrummel, mit dem Peterson die eigenen Künste begleitete. Das war zwar "nur" Fernsehen, aber Ereignis und privater Wendepunkt zugleich. Immer mal wieder war es später möglich, dem Zauberer und Hexenmeister hinterher zu reisen.
Oscar Peterson starb am Vorweihnachtsabend vor sechzehn Jahren im Alter von 82 Jahren. Dass sich viele vom Fach irgendwann kaum noch für ihn interessierten, wirkte immer sonderbar. Denn auch wenn er sich erfolgsverwöhnt eingerichtet hatte im Reich der Jazzstandards, blieb Petersons Technik immer unvergleichlich. Lassen konnte er nie von der Kunst, auch nach Schlaganfall und halbseitiger Lähmung. Da war eine fliegende Hand immer noch aufregender als bei anderen Pianisten zwei gesunde.
Eine Zeitreise mit dem Hexenmeister
Regelmäßig sind seit Petersons Tod unveröffentlichte Aufnahmen aufgetaucht. Die aktuelle stammt aus dem "Apollo-Theater" im schweizerischen Lugano. Das italienischsprachige Schweizer Fernsehen zeichnete das Konzert am 26. Mai 1964 auf. Das "klassische" Trio ist damals seit fünf Jahren zusammen. 1959 war Schlagzeuger Ed Thigpen zu Peterson und dessen ewigem Bass-Partner Ray Brown gestoßen. Peterson, Brown und Thigpen sind in Lugano auch "Klassiker" des Materials: mit Kompositionen von Gershwin, Rodgers & Hart, Dizzy Gillespie oder Bill Evans; ein Stück im Repertoire stammt von Peterson selbst.
Und der alte Zauber funktioniert - wer die Augen zumacht und nur auf das hört, was hier gespielt wird, geht auf eine Zeitreise: mit dem Hexenmeister und der Feuerwerksmusik.
"Con Alma" - live in Lugano 1964
- Genre:
- Jazz
- Label:
- Mack Avenue
- Veröffentlichungsdatum:
- 24.11.2023
- Preis:
- 17,99 €