CD-Cover "Journey in Black" von Christie Dashiell © Crehz Music
CD-Cover "Journey in Black" von Christie Dashiell © Crehz Music
CD-Cover "Journey in Black" von Christie Dashiell © Crehz Music
AUDIO: Play Jazz! - Magazin am Freitag (60 Min)

Drama, große Melodien & kleine Widerhaken

Stand: 07.06.2024 13:52 Uhr

Die junge US-Sängerin Chistie Dashiell sorgt mit ihrem improvisatorischen Talent für Aufsehen. Ihr Album "Journey in Black" thematisiert Bindung und Verlust, Rassismus und schwarze Selbstverortung.

von Ralf Dorschel

CD-Cover "Journey in Black" von Christie Dashiell © Crehz Music
AUDIO: Play Jazz! - Magazin am Mittwoch (59 Min)
CD-Cover "Journey in Black" von Christie Dashiell © Crehz Music
AUDIO: Play Jazz! - Magazin am Montag (59 Min)

Es ist das alte Lied: Eine Sängerin, ein Quartett, paar alte Songs und mehr neue. Viel Tradition, wenig Experiment. Das alte Lied also - aber wie Christie Dashiell es singt! Die junge US-Sängerin greift mit "Journey in Black" unglaublich selbstsicher nach jener Krone, die mal von Sarah Vaughan und Abbey Lincoln an Dianne Reeves und Dee Dee Bridgewater weiter gegeben wurde und um die heute Samara Joy und Cécile McLorin Salvant ringen. Für den Downbeat ist Dashiell "eine der innovativsten Sängerinnen und Komponistinnen dieser Tage", bei der Vergabe des "Next Jazz Legacy"-Awards für weibliche und non-binäre Nachwuchs-Künstler:innen schwärmte die Jury um Terri Lynn Carrington und May Han Oh von Dashiells "kraftvollem Ton, dem improvisatorischen Talent und dem nahtlosen Mix aus Jazz, Rhythm and Blues, Gospel und Soul".

Alle Songs haben Drama, große Melodien und kleine Widerhaken

Und wer so viel Vorschusslorbeer für eine Sängerin misstraut, die es gerade mal auf zwei Alben in acht Jahren gebracht hat, dem sei hier das Intro "Ancestral Folk Song" empfohlen. Wie sie über neun Minuten hinweg dieses kleine Meisterwerk inszeniert, wie sie singt, scattet und flüstert - eine solche Autorität lernt man nicht, die hat man. Sieben der neun Songs ihrer "Journey in Black" hat die Sängerin selbst geschrieben, da ist auch ein ungemein kluges Remake der alten Burt Bacharach/Dionne Warwick-Nummer "Anyone Who Had a Heart" und der Jazz-Standard "Invitation".

Dashiells Songs sprechen von Bindung und Verlust, sprechen von Rassismus und schwarzer Selbstverortung. Und alle diese Songs haben Drama, große Melodien und kleine Widerhaken, bleiben hängen und wirken nach. "Grief" ist eine kunstvoll gewebte Andacht, das textlose "Influence" eine atemberaubende Übung in Scat-Gesang, die eindringliche "Brother Sister" zeigt Dashiell an der Seite schwarzer Aktivist:innen, das schlichte und a capella gesungene "Always Stay" buhlt um die Liebe fürs Leben, "The Things You Do" ist lässiger Jazz-Funk mit Marquis Hill als Gast an der Trompete.

Ein Porträt einer Frau. © Crehz Music
Im kreativen Entstehungsprozess von "Journey in Black" wurde Christie Dashiell unter anderem von der Sängerin Dianne Reeves unterstützt.
Fünf Sterne für "Journey in Black"

Wobei sich festhalten ließe: Das Handwerk, der Sound, die Themen, die Instrumente - dieses Album hätte weitgehend unverändert auch vor 30 Jahren erscheinen können. Vor 40 Jahren oder vor 60. Was auch an der Sache mit der Wiege liegt: Dashiells Vater Carroll ist Jazz-Bassist, die Mutter klassisch ausgebildete Sängerin und mit ihren Brüdern ging sie zum Üben ins Heimstudio. Abends wurden die Ergebnisse dann am Familientisch debattiert, heute trommelt einer der Brüder, Carroll "CV" Dashiell, in ihrer Band.

Beim Studium an der Howard University begann die Sängerin im Ensemble Afro Blue, wurde von den Vokal-Altmeisterinnen "Sweet Honey in the Rock" eingeladen, stieß zum Kollektiv "Black Lives" und wirkte an der Seite von Marcus Strickland und neben Künstler:innen wie Immanuel Wilkins und Cheick Tidiane Sekh mit am politisch grundierten Sampler "Black Lives from Generation to Generation". 5 Sterne hat der stern-geizige Downbeat ihr jetzt für "Journey in Black" überreicht. Es ist das alte Lied - aber das erklang schon lange nicht mehr mit solchem Weitblick. Lasst uns über Kronen reden.

 

Weitere Informationen
Saxophone mit CD © fotolia.com Foto: ThorstenSchmitt, jasoncphoto

Jazz-CD-Tipps

Die NDR Jazzredaktion stellt neue Alben vor. Hier finden Sie die Rezensionen dieser CDs und Produktionen der NDR Bigband. mehr

Omar Sosa blickt lachend in die Kamera. © Omar Sosa

Jazz auf NDR Kultur

Unsere Sendungen geben fundierte Einblicke in die aktuelle Jazzszene und in die Geschichte des Jazz. mehr

"Journey in Black"

Genre:
Jazz
Label:
Crehz Music
Veröffentlichungsdatum:
22.09.2023
Preis:
14,99 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Play Jazz! | 03.06.2024 | 22:33 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Jazz

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Die lächelnde Festivalchefin Malika Rabahallah vor einem Plakat des Filmfests Hamburg © NDR Foto: Britta Schmeis

Filmfest Hamburg 2024: Freier Eintritt am Feiertag und Gute-Laune-Filme

Am Tag der Deutschen Einheit gibt es beim Filmfest Hamburg freien Eintritt für alle Vorstellungen. Das hat die neue Festivalchefin Malika Rabahallah am Dienstag verkündet. mehr