Zurück ins All
Es ist der Weltraum und es sind unendliche Weiten: Inspiriert von AfroFuturism und dem spitituellen Jazz der 60er Jahre, bringt der New Yorker Bassist Dezron Douglas den Jazz zurück ins Weltall.
Die spirituellen Wolkenkuckucksheime von Alice Coltrane und Pharoah Sanders boomen, eine junge Generation sucht den ebenso sinnlichen wie spirituellen Weg in höhere Sphären und in der Hamburger Elbphilharmonie wurde dieser Trend jüngst mit der erfolgreichen Reihe "AfroFuturism" untermauert. Zu den Gästen bei "AfroFuturism" gehörte auch Ravi Coltrane mit einer Verbeugung vor seinen Eltern Alice und John: An diesem Abend voller "Cosmic Music" wurde im Saal vor allem der spektakulär aufspielende junge Drummer Elé Howell gefeiert - mag aber daran liegen, dass Coltranes Hausbassist für alles Überirdische, Dezron Douglas, nicht dabei sein konnte.
Dabei ist gerade auch für Douglas der Blick Richtung Sterne eine Art Lebensthema: Der New Yorker Tieftöner hat neben Ravi Coltrane auch mit Pharoah Sanders und Louis Hayes sowie wie mit Makaya McCraven gespielt, hat den Lockdown mit seiner Partnerin, der Harfenistin Brandee Younger, auf der Suche nach der "Force Majeure" verbracht und dabei Hymnen wie "The Creator has a Masterplan" eingespielt.
Dezron Douglas gleitet mit kontrollierter Kraft durch die Stratosphäre
Der 41-jährige Bassist zählt zu den Größen der New Yorker Improvisations-Szene - und zwar über den Jazz hinaus. "Atalaya" ist sein 14. Album - entstanden fürs trendige Label International Anthem (Angel Bat Dawid, Anteloper, Makaya McCraven) im Quartett mit Emilio Modeste (Saxophon), George Burton (Piano) und Joe Dyson, Jr. (Schlagzeug). Douglas ist sich sicher: "Mystizismus, Magie, Glauben, Liebe, Kraft, Einsicht: Diese Worte umfassen den kreativen Prozess der Musik".
Und er macht sich auf die Spuren gleichgesinnter Projekte, die auf dem Impulse-Label vor 50 oder 55 Jahren liefen. Dabei ist der Bassist niemals soweit draußen wie Coltrane es in seinen letzten Jahren war - selbst Abstraktionen wie "Coyoacán" auf "Atalaya" bleiben berechenbar und beherrschbar. Und wer den späten Coltrane hören will, der findet in "Jones Beach" die komplette Versuchsanordnung - aber ohne die unvermeidliche ekstatische Eskalation. "Welcome to the Black Lion Rocket Ship" verkündet der Künstler und gleitet dann in den besten Momente von "Atalaya" mit kontrollierter Kraft durch die Stratosphäre. Unter den Highlights: der kosmische Quiet Storm von "Wheeping Birch" mit der kubanischen Sängerin Melvis Santa als Gast.
Nicht alles funktioniert gleichermaßen, "Atalaya" verliert nach Zweidritteln seiner Laufzeit an Warp-Geschwindigkeit und die Idee, in "J Bird" Charlie Parkers manischen Bebop mitzunehmen auf diese Reise, verpufft in schierer Virtuosität. Doch Douglas' neues Album ist ein faszinierender Grenzgang - und ganz vorn mit dabei, wenn der Jazz sich seinen Weg zurück ins Kosmische sucht.
"Atalaya"
- Genre:
- Jazz
- Zusatzinfo:
- Label:
- International Anthem Recording Company
- Veröffentlichungsdatum:
- 18.11.2022
- Preis:
- 16,99 €