Zum 100. Geburtstag von György Ligeti: Offen für alles Neue
Durch seine Musik zum Film "2001: Odyssee im Weltraum" wurde György Ligeti weltbekannt. Der Komponist lehrte auch an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, wo ihm seit diesem Jahr ein Zentrum gewidmet ist. Am Sonntag wäre er 100 Jahre alt geworden.
György Ligeti ist einer der bekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Trotz seiner modernen, mitunter atonalen Tonsprache ist der gebürtige Ungar vielen ein Begriff, nicht zuletzt durch die Verwendung seiner Musik in Filmen wie zum Beispiel von Stanley Kubrick. Ligeti war ein sehr vielseitiger Komponist, der sich von der Musik der Renaissance ebenso inspirieren ließ wie von der Musik Zentralafrikas. 2006 starb er in Wien.
Ligetis Klangräume: Perfekte Untermalung für Stanley Kubricks "2001"
"Ich wurde so oft als Klangfarbenkomponist eingegliedert", hat der Komponist einmal in einem Interview gesagt. "Man hat eine Schublade Klangfarbenkomposition aufgemacht, mich reingesteckt, zugemacht. Nun sitze ich drin als Klangfarbenkomponist. Ich möchte mich aber ganz entschieden dagegen wehren. Ich glaube nicht, dass nur mit Klangfarbe etwas zu machen ist. Ich bin gegen alle Ideologie, gegen alle Einseitigkeit, gegen einseitige künstlerische Ideologien. Ich glaube, dass man nur weitergehen kann, wenn man ganz offen ist gegenüber allen neuen musikalischen Möglichkeiten."
Völlig neue Klänge hat György Ligeti dank seiner Offenheit und Wissbegierde geschaffen. Stücke ohne rhythmische und metrische Strukturen, die Klänge in minimalen Intervallabständen übereinander geschichtet, keine Melodie, keine Phrasen, stattdessen: Klangraum. Und damit für Stanley Kubrick perfekt geeignet zur Untermalung seines Films "2001: Odyssee im Weltraum". Kubrick verwendete Ligetis Stück "Atmosphères" ungefragt als Filmmusik und trug so unverhofft zu Ligetis internationaler Bekanntheit bei.
Beeinflusst von Computermusik
Ligeti war synästhetisch veranlagt und sah vor seinem geistigen Auge Farben und Fraktale, geometrische Figuren, die er versuchte, in Musik zu übersetzen. Er ließ sich inspirieren von Literatur, Malerei und Architektur. Die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Computermusik beeinflussten sein Komponieren.
Mit Karlheinz Stockhausen arbeitete Ligeti Ende der 50er-Jahre in Köln im Elektronischen Studio des WDR. Er war Dozent in Donaueschingen und an der auf diesem elektronischen Gebiet forschenden Stanford University. Die Musik der Renaissance faszinierte Ligeti ebenso wie Studien, die der Musikethnologe Simha Arom über die komplexen Strukturen in der Musik der Aka Pygmäen Zentralafrikas nachwies.
Jüdische Herkunft verwehrte ihm Mathematikstudium
Die Analyse von Strukturen war ihm ein wichtiger Antrieb. Eigentlich wollte Ligeti, der in Siebenbürgen geboren wurde, in Cluj Mathematik und Physik studieren. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde ihm das verwehrt. Stattdessen studierte er Musik und setzte sein Studium nach dem Zweiten Weltkrieg in Budapest fort. Ähnlich wie Bartók war er auch als Musikethnologe aktiv, was sich auch an Kompositionen aus dieser Zeit zeigt.
1956 floh Ligeti aus Ungarn nach Wien, das trotz Stationen in Köln, Berlin, Paris, den USA und vor allem seiner Professur in Hamburg sein zweites Zuhause blieb. Seine Frau Vera Ligeti lebt dort nach wie vor und ist trotz ihrer 92 Jahre immer noch als Psychoanalytikerin aktiv. Sein Sohn Lukas Ligeti ist nach Umwegen auch Komponist geworden.
Fast zwei Jahrzehnte in Hamburg gelehrt
Seit Anfang der 70er-Jahre hat Ligeti mehr als zwei Jahrzehnte an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg gelehrt. Zu seinen Schülern gehören Manfred Stahnke, Renate Birnstein, Sidney Corbett, Wolfgang-Andreas Schultz, Chen Xiaoyong und Unsuk Chin, um nur einige zu nennen. Viele von ihnen brachten Impulse, Themen und Musikfarben in die Klasse hinein. Dass sie sich selbst finden müssen und die Impulse amalgamieren sollen - ein Wort, das Ligeti gerne benutzte - war sein wichtigster Rat.
"Ich glaube, was ich wirklich von ihm übernommen habe, ist die Lust und die Neugierde, immer etwas Originelles zu machen durch ein vorsichtiges Aufnehmen von Informationen und eine sehr bewusste Synthese dieser Informationen", erzählt Ligetis Sohn Lukas.
Ligeti-Zentrum an der Hochschule für Musik und Theater
Mit 50 Jahren Verspätung konnte in diesem Jahr endlich ein Ligeti-Zentrum in Hamburg eröffnet werden, wie er es sich immer gewünscht hatte. Ein Zentrum, das verschiedene Disziplinen und Bereiche miteinander verknüpft - ganz im Sinne Ligetis, wie der Zentrumsleiter Georg Hajdu sagt: "György Ligeti hat seine Intuition eingesetzt, um zu komponieren. Er war bereit, wenn sozusagen sein Algorithmus nicht funktioniert hat, zu sagen: Okay, das machen wir jetzt anders."