Schuberts "Forellenquintett": Unendlich charmant
Welche Werke der klassischen Musik sollte man kennen? Die Antwort auf diese Frage kann man in Lexika suchen oder in Lehrplänen für die Schule. Oder man kann Musiker fragen. Im Weltwissen Musik stellen die Mitglieder des NDR Sinfonieorchesters ihre Lieblingsstücke vor. Dieses Mal: Der Stimmführer der 2. Violinen, Rodrigo Reichel, erzählt, was ihn an Franz Schuberts "Forellenquintett" so begeistert.
Das "Forellenquintett" von Franz Schubert gehört zu den beliebtesten Kammermusikwerken der Klassik - und zwar vollkommen zu Recht, meint der Geiger Rodrigo Reichel aus dem NDR Sinfonieorchester. "Ich kann mich noch erinnern, als ich das das erste Mal gespielt habe. Ein sehr guter Freund von mir hat geheiratet und da hieß es: ja, wir spielen auch das 'Forellenquintett'. Ich hatte es bis dahin erstaunlicherweise noch nie gespielt. Ich hab's gehört und fand's schön. Aber als ich es dann das erste Mal gespielt habe, war es wirklich so, als käme ich nach Hause."
"Das ist sonnige Musik"
Was Rodrigo Reichel beim Spielen erlebt hat, kennen viele Klassik-Fans vom Hören: Im "Forellenquintett" von Franz Schubert fühlt man sich sofort geborgen. Das Stück für vier Streicher und Klavier verbreitet eine wohlige Stimmung. "Diese Musik empfinde ich als sehr sonnig", erklärt Reichel. "Nicht nur heiter im Sinne der Fröhlichkeit, sondern das ist sonnige Musik."
Nachhall glücklicher Sommermonate
Der sonnige Grundton des Stücks wirkt wie ein Nachhall der glücklichen Sommermonate des Jahres 1819. Der damals 22-jährige Komponist Franz Schubert verbrachte sie mit einem Freund im oberösterreichischen Steyr und genoss neben den Schönheiten der Landschaft auch die Gesellschaft junger Damen, wie er in einem Brief an seinen Bruder Ferdinand offenbarte:
In dem Hause, wo ich wohne, befinden sich 8 Mädchen, beynahe alle hübsch. Du siehst, daß man zu thun hat. Zitat aus einem Brief Schuberts an seinen Bruder
Besonders unbeschwert wirkt das Finale des "Forellenquintetts", in dem Schubert den Schwung der österreichischen Volksmusik aufnimmt. "Es könnte fast Tanzmusik sein. So großartig viele Themen gibt's ja im letzten Satz nicht - es wiederholt sich alles immer und immer wieder. Das ist aber so genial gelöst bei diesem Stück. Also, mir wird dabei nie langweilig."
Dem Reiz dieser Musik kann man sich kaum entziehen
Herzstück des Quintetts ist der vierte Satz. Dort greift Schubert die Melodie aus seinem eigenen Lied "Die Forelle" auf, das dem Werk auch seinen Namen beschert hat. In die sonnige Heiterkeit mische sich hier auch ein Unterton der Sehnsucht, meint Rodrigo Reichel. "Es ist eine Sehnsucht nach Harmonie, die diese Musik komplett bedient. Also eigentlich Sehnsucht und Erfüllung in einem." Die Melodie wird von Schubert fantasiereich variiert, in verschiedene Stimmen verlagert und virtuos umspielt.
Dabei tauschen die Instrumente mehrfach die Rollen. Genau das schätzt Rodrigo Reichel an der Musik, auch wenn er selbst die Geigenstimme spielt. "Erst singt die Geige das Thema und dann übernimmt die Geige auf einmal dieses Wasserplätschern." Dem neckischen Reiz dieser Musik kann man sich kaum entziehen. Rodrigo Reichel bringt es auf den Punkt: "Das ist so unendlich charmant."