"Verfemte Musik": ungewisse Zukunft des Schweriner Festivals

Stand: 08.11.2024 13:55 Uhr

Die Zukunft des "Festivals für Verfemte Musik" in Schwerin ist offen. Der veranstaltende Verein "Jeunesses Musicales" musste Insolvenz anmelden und hat sich aufgelöst. An diesem Wochenende heißt das Festival "Tage der Verfemten Musik".

In Schwerin hat der ehrenamtliche Verein "Jeunesses Musicales" mehr als zwanzig Jahre lang das "Festival für Verfemte Musik" veranstaltet. Ein Aushängeschild für die Landeshauptstadt. Dabei haben sich junge Leute mit der Musik von Komponisten beschäftigt, die während der NS-Zeit verfolgt oder sogar ermordet worden waren. Hochkarätige Konzerte, ein internationaler Musikwettbewerb und ein umfangreiches Begleitprogramm haben das Festival ausgezeichnet. Damit ist nun Schluss, denn der Trägerverein musste Insolvenz anmelden und hat sich inzwischen aufgelöst. NDR Reporterin Karin Erichsen erklärt die Hintergründe.

Wie konnte das passieren, was ist konkret vorgefallen? 

Karin Erichsen: Das ist eine ziemlich ärgerliche und auch traurige Angelegenheit, finde ich: Der Verein "Jeunesses Musicales", konkret der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, hat offenbar versäumt, seine Gemeinnützigkeit zu beantragen. Im Abstand von drei Jahren müssen Vereine immer wieder Unterlagen beim Finanzamt einreichen, mit denen sie die Gemeinnützigkeit ihrer Projekte nachweisen, so hat es mir der Insolvenzverwalter Heiko Jaap aus Greifswald erläutert.

Das ist hier offenbar nicht in ausreichender Weise geschehen, sodass der Verein "Jeunesses Musicales" seine Gemeinnützigkeit formal verloren hat und entsprechend keine Spendenbescheinigungen ausstellen konnte. Deshalb hat die Hauptunterstützerin des Festivals für Verfemte Musik, die Sparkassenstiftung, ihre finanzielle Zuwendung in Höhe von rund 55.000 Euro zurückverlangt. Das Geld war aber während des letzten Festivals für Verfemte Musik für die beantragten Zwecke ausgegeben worden. Damit war der Verein zahlungsunfähig und musste Insolvenz anmelden.

Lässt sich die Gemeinnützigkeit des Festivals für Verfemte Musik nicht einfach im Nachhinein feststellen?

Erichsen: Nein, hier hat die Bürokratiefalle zugeschnappt. Im Nachhinein kann aus rechtlichen Gründen nichts mehr beantragt werden. Und der Vereinsvorstand kann froh sein, wenn die Sache so im Sande verläuft und die Mitglieder nicht noch belangt werden. Danach sieht es aber gegenwärtig nicht aus, sagte mir der Insolvenzverwalter, zumal sich hier niemand persönlich bereichert habe. Aber diese ganze Problematik kenne ich auch von anderen Vereinen, zum Beispiel sagte mir kürzlich der Vorsitzende des Ludwigsluster Schlossvereins, Henrik Wegner, dass er nur noch ganz schwer Leute finde, die im Vorstand mitarbeiten wollen, weil sie eben genau davor Angst hätten, dass sie als Laien irgendwelche Fehler machen und daran das ganze Projekt, in dem Fall die Ludwigsluster Schlosskonzerte, scheitert. Oder sie sogar persönlich belangt werden.

Was sagen die Vorstandsmitglieder von "Jeunesses Musicales" zur eigenen Insolvenz?

Erichsen: Die schweigen sich aus. Ich habe versucht, mit dem Vorsitzenden des Vereins zu sprechen. Das ist Volker Ahmels, der Direktor des Schweriner Konservatoriums, der das Festival für Verfemte Musik auch künstlerisch leitet. Der möchte sich während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht äußern und auch andere Vereinsmitglieder wollten nichts dazu sagen. Der Verein ist mittlerweile ja auch aufgelöst.

Welche Zukunft hat das Festival?

Das ist ungewiss. In diesem Jahr ist erstmal die Landeshauptstadt Schwerin eingesprungen, denn sie hält das Festival für Verfemte Musik für wichtig. Es sollte nicht ganz ausfallen, sagte mir der zuständige Finanzdezernent Silvio Horn. Das Schweriner Kulturbüro und das Konservatorium veranstalten deshalb gemeinsam mit dem Mecklenburgischen Staatstheater an diesem Wochenende die "Tage für Verfemte Musik". Zum Gedenken an die Reichspogromnacht stehen drei Konzerte, zwei Vorträge, ein dreitägiger Workshop für Musikschüler zum Thema verfemte Musik und ein kleines Begleitprogramm auf dem Plan. Für das kommende Jahr wird ein neuer Träger für das Festival gesucht, ob das gelingt und wer das sein könnte, ist bislang aber offen.

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Nordmagazin | 09.11.2024 | 19:30 Uhr

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