Schuberts Aufbruch in neue Dimensionen
Welche Werke der klassischen Musik sollte man kennen? Die Antwort auf diese Frage kann man in Lexika suchen oder in Lehrplänen für die Schule. Oder man kann Musiker fragen. Im Weltwissen Musik präsentieren die Mitglieder des NDR Elbphilharmonie Orchesters ihre Lieblingsstücke. Die Cellistin Bettina Barbara Bertsch stellt Schuberts Klaviertrio in B-Dur vor.
1827, im letzten Jahr vor seinem Tod, schuf der damals 30-jährige Komponist Franz Schubert einige seiner größten Kammermusikwerke - darunter auch zwei Trios für die Besetzung mit Geige, Cello und Klavier. Das erste der beiden Klaviertrios in der Tonart B-Dur gehört zu den Lieblingsstücken der Cellistin Bettina Barbara Bertsch.
"Es ist ein frühlingshafter Schwung, der da aufkommt. Eine Energie, eine Aufbruchsenergie, die aber nicht über alles hinwegbügelt, sondern durchlässig ist für alle Feinheiten, die links und rechts passieren", schwärmt Bertsch. Diesen Schwung und diese Energie versprüht die Cellistin auch selbst, wenn sie den Bogen zur Hand nimmt und Beginn des B-Dur-Trios von Franz Schubert auf ihrem Cello mitstreicht.
Klangliche Verschmelzungsmomente
Neben ihrem Hauptberuf als Cellistin im NDR Elbphilharmonie Orchester ist Bettina Barbara Bertsch auch noch eine begeisterte und professionelle Kammermusikerin. Sie ist Mitglied in einem Streichquartett und im Evrus Trio, mit dem sie das Schubert-Trio schon mehrfach aufgeführt hat.
"Die Herausforderung im Klaviertrio besteht immer darin, dass man die beiden Klangwelten, also Streicher und Klavier, versucht so nahe wie möglich zusammenzubringen und klangliche Verschmelzungsmomente zu finden", erklärt sie. "Das sind dann die schönsten Momente, wenn es gelingt. Und in der Musik von Schubert wird es besonders verlangt. Weil er selber alle Instrumente spielen konnte, wusste er besonders gut, wie er das erreichen kann."
Den Rahmen der klassischen Kammermusik sprengen
Franz Schubert schrieb sein Klaviertrio für befreundete Musiker - darunter der Geiger Ignaz Schuppanzigh, der auch viele Werke von Beethoven aus der Taufe gehoben hat. Der Titel "Grand Trio" - "großes Trio" - deutet den Anspruch des Komponisten an: Schubert dringt hier in Dimensionen vor, die den Rahmen der klassischen Wiener Kammermusik sprengen.
Mit einer Spieldauer von rund 45 Minuten ist das Stück etwa doppelt so lang wie die Trios von Mozart - und es eröffnet eine neue Welt des romantischen Ausdrucks, auch im Andante, wie Bettina Barbara Bertsch erklärt: "Der zweite Satz ist eine Innenbetrachtung eines Menschen, der sich ganz versunken in der Natur befindet und die auf sich wirken lässt und Entsprechungen dazu in seinem Inneren sucht und findet. Ein ganz intimes Gefühlsgemälde, kann man vielleicht sagen."
Hier ist der für Schubert so typische Ton von süßer Wehmut zu spüren, eine sanfte Melancholie, die viele seiner langsamen Sätze prägt. Womöglich hat der damals gerade 30-jährige Komponist schon gespürt, dass sein Leben bald zu Ende geht und sich mit solchen Momenten aus der Wirklichkeit weg geträumt. Aber mit dem dritten Satz kehrt die Bodenhaftung zurück. "Für mich ist dieses Scherzo auch wie ein Ruf der äußeren Welt", sagt Bertsch: "Dass man nach der Stimmung des zweiten Satzes zurück kommt in die reale Welt."