Schrottorchester in Gadebusch sucht Mitstreiter - und Fässer
Ein Besuch beim Ersten Deutschen Schrottorchester im mecklenburgischen Gadebusch, das auf Ölfässern und Regentonnen spielt. Obwohl Gehörschutz bei den Proben Pflicht ist, wünscht das Ensemble noch mehr Wumms - mehr Mitstreiter und mehr Material.
Besenstiele, auf die Länge von Klanghölzern gesägt, liegen in einer Kiste. Die Mitspieler suchen sich ihre passenden Trommelstöcke aus. Ölfässer werden aus dem Nebenraum gerollt und auf kleine Holzpodeste geklemmt. Orchesterleiter Andreas Kruse schlägt den ersten Song ein. Rhythmisch stampfend setzt sich der Klang in Bewegung. Der Dielenfußboden im Obergeschoss des Alten Schützenhauses in Gadebusch dröhnt. Die Vibrationen sind über die Füße zu spüren. Eine sinnliche Erfahrung, die allerdings einen guten Gehörschutz voraussetzt. Ohne Stöpsel in den Ohren wäre das für die Mitspieler weder gesund noch lange zu ertragen.
200-Liter-Regentonne als Bass Drum
Wichtigste Säule im Zusammenklang ist der Bass: Eine 200-Liter-Regentonne, an der Beate Blohm den Takt halten muss. "Ich habe auf den ganz normalen Fässern angefangen und jetzt bin ich hier gelandet. Das ist schon sehr anstrengend, spart auf jeden Fall das Fitnessstudio", erzählt Blohm lachend. "Man braucht schon Kondition. Wenn dann mal Ferien waren, dann ist es schon ein bisschen schwieriger, wieder reinzukommen."
Als technische Zeichnerin hat Frau Blohm beruflich wenig Schnittmengen mit der Musik. 2014 lernte ihre Tochter Keyboard bei Orchesterleiter Kruse - und dann wurde auch die Gadebuscherin neugierig: "Ich wollte eigentlich nur gucken, wie das hier so ist. Und schon stand die Tonne vor mir. Dann bleibt man dabei. Wenn mein Takt nicht passt, dann passt vieles andere auch nicht", erzählt sie und lacht wieder.
Trommeln nach Partitur: "Es wird nicht einfach drauflos gehämmert"
Das Schrottorchester gehört zum Pegasus-Verein, der in Gadebusch musikalische Bildung anbietet. Auf die Idee kam Musiklehrer Andreas Kruse, als er einen Solo-Trommler am Fass gehört hat. Der Sound war nett, aber etwas dünn - das sollte schon eine Gruppe sein, dachte er sich. "Ich habe dann eine Anzeige in der Zeitung aufgegeben", erzählt Kruse. "Mit drei Frauen haben wir angefangen und heute sind wir 14 Leute. Trommeln sieht ja immer so einfach aus, so dass jeder denkt: Das kann ich auch. Aber jeder, der das mal selbst probiert hat, wird schnell merken, dass es nicht so ist. Es gibt eine richtige Partitur. Manche schreibe ich selbst, manche sind aus der Trommel-Literatur. Es wird also nicht einfach drauflos gehämmert, es ist schon ein bisschen durchdacht."
Gut 20 Stücke haben die Schrotttrommler im Repertoire. Nach gut einer Stunde ist jede Probe vorbei, denn Energie und Konzentration werden dabei ganz schön strapaziert, sagt Ingrid Schaffransky. Sie gehört dem Verein seit seiner Gründung vor 30 Jahren an. Die Idee zu einem solchen Ensemble hat sie von Anfang an unterstützt. Für die Hobbymusikerin ist ein Ölfass ist ein ganz eigener Klangkosmos: "Die Fässer klingen schon unterschiedlich. Alleine, weil sie schon ganz unterschiedlich ‘bearbeitet’ wurden. Und wenn man auf dem Rand spielt, kommt auch ein ganz anderer Klang als in der Mitte heraus."
Hoher Verschleiß: Nach zwei Monaten ist ein Fass hin
Ein 60-Liter-Standardfass hält nur knapp zwei Monate. Danach ist es verschlissen. Die Holzschlägel zerfasern bei intensivem Einsatz noch schneller. Ein Gadebuscher Autohändler versorgt das Ensemble regelmäßig mit neuen Fässern. Aber es könnten noch mehr sein, sagt Kruse - und mehr Mitstreiter wären auch nicht schlecht. "Mitbringen muss man gar nichts", so der Orchesterleiter. "Man kommt einfach her, kriegt ein Fass und Stöcke, dann probiert man das aus. Und wenn es einem zusagt, kann man gerne wiederkommen. Herren sind ein bisschen wenig, da haben wir nur zwei, da könnten wir gut Verstärkung gebrauchen."
Bis zu acht Konzerte pro Jahr - und einmal sogar vor Santiano
Beim Münzfest in Gadebusch treten die Musiker regelmäßig auf. Beim Herbstumzug stehen sie mit ihren Fässern auch schon mal auf einem Anhänger und fahren durch die Stadt. Bis zu acht Konzerte pro Jahr stehen auf dem Programm - das ist nicht viel, aber es geht den Mitgliedern zumeist um den Spaßfaktor. Dennoch sei ihr ein Auftritt besonders in Erinnerung geblieben, sagt Ingrid Schaffransky: "Das war im Estrel-Hotel in Berlin. Da hat der Deutsche Städtetag getagt. Und dass wir dort die Vorgruppe von Santiano waren, war schon ein besonderes Ereignis!"
Bei Interesse: Neue Mitspieler sind im Schrottorchester immer gerne gesehen. Die Proben beginnen immer donnerstags um 19 Uhr im Alten Schützenhaus in Gadebusch.