Mediatheks-Tipp: Tschaikowsky-Konzert mit Hilary Hahn
Klassische Musik in der ARD Mediathek? Da kommt man vielleicht nicht sofort drauf, weil im Vordergrund des Angebots Spielfilme, Serien, Dokus und Comedy stehen. Aber es gibt sie - und das nicht zu knapp. Ein Tipp von Christoph Bungartz.
Christoph, was hast du heute dabei?
Christoph Bungartz: Am Montag war der 130. Todestag des großen russischen Komponisten Peter Tschaikowsky. Vor ein paar Tagen konnten wir auf NDR Kultur Joshua Bell und das NDR Elbphilharmonie Orchester mit Tschaikowskys Violinkonzert op. 35 erleben. Ein sehr beliebtes Bravourstück, das Publikum war begeistert. In der Mediathek gibt es eine ebenso faszinierende Aufführung mit der Amerikanerin Hilary Hahn. Ein Konzert mit dem Symphonieorchester des Hessischen Rundfunks unter Andrés Orozco-Estrada aus dem September dieses Jahres.
Sie ist ja eine der wichtigsten Geigerinnen unserer Zeit, hat viele Auszeichnungen bekommen. Was ist so toll an diesem Frankfurter Konzert?
Bungartz: Mit welcher Gelassenheit und Intensität sie in der ersten Minute einsteigt, da ist man von Anfang an gefangen. Sie betont besonders im ersten Satz die rhythmischen Passagen, wo das Orchester immer nur kleine Akzente setzt. Mal ist das ein pointiertes, knackiges Mit- und Gegeneinander und mal fliegt sie regelrecht davon - und zieht dann auch das ganze Orchester mit. Die große Kadenz am Ende des ersten Satzes mit zarten Flageolett-Tönen und ganz energischen Läufen - das zu sehen und zu hören, ist toll. Die Leute klatschen zwischen den Sätzen, und man kann es ihnen nicht verdenken.
Klingt wirklich gut - Hilary Hahn ist ja eine unglaublich vielseitige Musikerin, oder?
Bungartz: In der Tat. Und die Kollegen der Mediathek schnüren ja immer kleine Pakete. Sie haben zu dem Konzert eine Doku gestellt, die zeigt, wie Hilary Hahn, die Ende November erst 44 wird, zu der großen Künstlerin wurde, die sie heute ist. Ein großes Filmporträt, eine Langzeitbeobachtung über 15 Jahre, von 2003 bis 2019, von Benedict Mirow. Aus dem Wunderkind - mit vier hat sie angefangen, mit zehn Jahren hat sie ihr erstes Konzert gespielt - ist eine selbstbewusste, risikofreudige Künstlerin geworden.
Atemberaubend virtuose Passagen in Stücken sind hier zu sehen, die eigens für sie komponiert wurden - aber auch ganz einfache improvisierte Begleitung von Bluegrass-Musik mit einem befreundeten Singer-Songwriter. Oder mit Hauschka, dem Pianisten, der alle möglichen Sounds aus seinem Klavier herausholt - er hat ja dieses Jahr einen Oscar für seine Filmmusik bekommen. Mit ihm hat sie ein ganzes Album produziert. Alles mit demselben Ernst und derselben Begeisterung. Und immer wieder Bach.
Eine Szene im Film zeigt sie auf der Bühne mit zwei geigenden Kollegen - und alle drei streichen und lassen dabei einen Hula-Hoop-Reifen um den Bauch schwingen. Das ist natürlich eine Zirkusnummer, die nichts mit der Qualität der Musik zu tun hat - aber man sieht die unglaubliche Kraft und überschießende Energie, mit der sie musiziert.
Sie ist aber auch selber in den Social Media sehr aktiv, oder?
Bungartz: Ja, sie postet ihre Videos auf Instagram, wo sie 450.000 Follower hat. Und - fast untypisch für diesen Kanal: Es wirkt nie eitel. Man findet in der Mediathek noch weiteres Material, auch ein schönes kurzes Interview mit ihr, backstage am Rande eines Auftritts, wo sie sagt: "Man mag denken, dass ich eine Perfektionistin bin - aber ich würde lieber etwas schmutziger spielen, wenn ich dadurch etwas Schönes entstehen lassen kann." Und sie wird am Ende gefragt: "Vergessen Sie sich selbst beim Spielen?" Sie antwortet sehr charmant: "Ich hoffe doch."
In der Mediathek kann man sich ja durchaus verlaufen - wie findet man Hilary Hahn und diese Videos?
Bungartz: Drei Worte in die Suchmaschine eingeben: "ARD", "Mediathek", "Klassik" - und schon öffnet sich eine Fundgrube, aber eine sehr gut sortierte Fundgrube. Hilary Hahn steht dort im Moment ganz oben. Oder Sie folgen diesem Link: