Ingolf Burkhardt und Michael Dreyer: Jazz und die NDR Bigband
Die Sendung NDR Kultur à la Carte lässt das Jahr 2022 mit Jazzklängen schwungvoll und dynamisch ausklingen - mit dem Jazz-Trompeter Ingolf Burkhardt und dem neuen Manager der NDR Bigband Michael Dreyer, der im Juli die Nachfolge von Axel Dürr angetreten hat.
Bevor Michael Dreyer nach Hamburg kam, war der gebürtige Göttinger Gründer und künstlerischer Leiter des legendären Osnabrücker Morgenland Festivals. Impulse aus dieser Zeit möchte er auch in das Repertoire der NDR Bigband einflechten und verstärken. Dazu eignet sich der Jazz-Standort Niedersachsen besonders gut. Die NDR Bigband ist mit einer ersten Abo-Reihe in Hannover bereits an den Start gegangen und hat den Kleinen Sendesaal im NDR Landesfunkhaus für sich entdeckt. Zusammen mit Ingolf Burkhardt spricht Michael Dreyer über Jazz, Klänge, Improvisationen, Rituale und neue Akzente der NDR Bigband.
Die syrische Musik und die arabische Musik hast du als Gründer und künstlerischer Leiter des Morgenlandfestivals in gewisser Weise nach Deutschland geholt. Das ist eine Art von Musik, die dir sehr am Herzen liegt. Jetzt bist du bei der NDR Bigband. Aber da bringst du das schon zusammen?
Michael Dreyer: Wobei ich sagen muss, das war lange bevor ich hier angefangen habe zu arbeiten, da stand das überhaupt noch nicht im Raum. Mein Kontakt damals zur NDR Bigband ist tatsächlich auch über Syrien gegangen. 2008 war Damaskus Kulturhauptstadt der arabischen Welt - so wie es eine europäische Kulturhauptstadt gibt, gibt es das dort auch. 2008, drei Jahre vor dem Beginn des Bürgerkriegs, war Damaskus ein fantastischer Ort, es brodelte an Kultur. Ich habe damals viele syrische Musiker nach Deutschland geholt, aber wir haben auch im Opernhaus in Damaskus Konzerte und Festivals gespielt. Es gab einen Menschen, einen Hobby-Gitarristen, der hatte lange in Amerika gelebt und kam zurück nach Damaskus mit der Idee, er wollte eine Bigband und ein Jazzfestival gründen. Alle haben ihn ein bisschen belacht und haben gesagt: 'Hannibal, niemand will hier eine Bigband hören. Es gibt in der arabischen Welt überhaupt keine Bigband-Tradition.' Aber er war total begeistert davon, hat dann immer von der Berkeley School of Music Dozenten eingeladen, hat Workshops gemacht und hat die "Syrian Bigband" gegründet - die erste Big Band in der arabischen Welt. Mit ihm habe ich viel gearbeitet. Ich habe diese Band auch eingeladen.
Irgendwann hat er mir gesagt: 'Michael, in Hamburg, da gibt es diese sagenhafte NDR Bigband, bitte, wenn ich in Deutschland bin, können wir da irgendwie hinfahren?' So bin ich tatsächlich zum ersten Mal hier hingekommen, saß bei meinem jetzigen Vorgänger Axel Dürr mit Hannibal aus Damaskus, und der sagte: 'Können wir was zusammen machen?' Axel Dürr war natürlich ein bisschen skeptisch, weil er gar nicht wusste, auf was er sich da einlässt. Ich habe gesagt, wir können ja erstmal drei Musiker schicken, die dann auf dem Festival mit euch arbeiten - und so hat es angefangen. Dann haben wir über die Jahre mehrere Produktionen gemacht und es gab eben diesen Flow. Ganz am Anfang gab es diese Eröffnungswochen von der Elbphilharmonie, kurz danach haben wir ein ganzes Festival gemacht, wo die "Syrien Bigband" auf die NDR Bigband getroffen ist. Tatsächlich bin ich über Damaskus in Hamburg gelandet.
Man denkt, es ist ein Umweg, aber vielleicht war es für dich der direkte Weg. Ingolf, jetzt ist das natürlich eine Weichenstellung für euch, auch als Ensemble, als Bigband. Was wünscht ihr euch denn von Michael Dreyer?
Ingolf Burkhardt: Wir brauchen uns jetzt gar nichts mehr zu wünschen, deswegen ist er ja auch da. Die Band ist natürlich schon längst etabliert und wir haben schon ganz viele Jahre tolle Sachen gemacht. Jetzt ist, glaube ich, einfach Zeit, Sachen anders zu machen. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk findet auch grade ein Umdenken statt, was auch normal ist. Wir als Band möchten auch darauf eingehen. Ich denke einfach, dass wir uns vielleicht als Band zusammen weltweit, aber zumindest europaweit, in der Jazzszene richtig verankern, weiterhin verankern mit tollen, ganz unterschiedlichen Projekten. Michael bringt natürlich diese Expertise mit, sagen wir mal, syrische Musik. Aber natürlich machen wir auch andere Dinge. Das ist einfach die Idee. Das Starke ist, dass wir als Band mit Michael auch im Flow zusammen diskutieren, zum Beispiel welche Programme Sinn machen. Es kommen auch Ideen aus der Band. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Das ist das, was wir gerade machen.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.