Kunsthalle zu Kiel: Mit Abschiedsfeier in den Winterschlaf
Auch so geht Kunsthalle kurz vor der vorläufigen Schließung: Da werden die heiligen weißen Wände mit Stift und Farbe und freier Kunst versehen oder man startet eine Entdeckungsreise durchs Ausstellungshaus von 1909. Woanders werden Selfies mit dem Lieblingsobjekt gemacht oder selbiges - als Button - gleich mit nach Hause genommen.
Mit Lichtmalerei die Wände der Kunsthalle bemalen
Auch wenn Britta Margenberg nicht die technikaffine Generation Z ist - die digitale Lichtmalerei versucht sie: "Wir beschäftigen uns gerade mit Tagtool. Das ist ein Zeichenprogramm, mit dem ich Malereien, die ich hier auf diesem Tablett erstelle, animieren kann." Der Witz dabei: Ihr Gezeichnetes taucht auf einer der hohen und hier schon leeren Ausstellungswände auf. Auch das noch feuerrote, kreisrunde Gebilde ihrer Freundin Claudia Rositzki - könnte erstmal ein Ball sein? "Genau! Das Tolle daran ist, dass sich die Sachen hin und her bewegen und dass das amorphe Formen sind. Einen Raum weiter ist zum Beispiel eine richtige Meereslandschaft mit Kraken und Quallen. Das sieht fast mystisch aus."
Im ersten Stock der Kunsthalle will Regina Göckede Punkt 14.30 Uhr loslegen. Sie gehört mit zum Leitungsteam und bereitet die erste Kurzführung vor: "Umweltzerstörung als Thema der Kunst". Wie geht's ihr mit Blick auf die kommenden fünf Arbeitsjahre außer Haus? Sie lacht: "Wir haben eine sehr große grafische Sammlung, 32.000 Blatt. Die wird im Interim, in der Phase, in der wir aus dem Haus sind, digitalisiert. Dann werden sukzessiv immer mehr Werke aus unserer Sammlung online präsent sein, was für Museen doch einen Standard darstellt."
Die Suche nach einem Zwischendepot
Im Saal nebenan sitzt Anja Brokate aus Hannover ziemlich einsam vor einem wandhohen Ölbild Neo Rauchs: "Moor" von 2003. Es ist ihr letzter Urlaubstag in Kiel: "Ich finde das sehr lang. Was um Himmels Willen wollen die alles machen in fünf Jahren? Ich hab's erst heute erfahren und mich gefreut, dass wir noch ein paar Sachen sehen können." Neo Rauch!? "Das ist doch mal ein sehr norddeutsches Bild, mit den Gummistiefeln und der überfluteten Landschaft. Dann ein bisschen Kritik an der deutschen Spießigkeit."
Anette Hüsch kommt vorbei. Die Kunsthallenleiterin hat eine lange Zeit der Planung hinter sich: Die Ausschreibung für eine Kunstspedition läuft, um ein Zwischendepot für alle Exponate zu finden - auch für die seltenen Objekte der Antikensammlung. Es geht um die Sicherheit der Kunst, was hier mit angemessenem Schweigen bedacht wird. "Für uns ist es Herausforderung wie Chance gleichermaßen, dass wir als Haus insgesamt in die Lage kommen, über das Museum nachzudenken", sagt Hüsch. "Das ist natürlich auch ein sehr spannender und positiver Prozess, weil Museen gerade im Wandel begriffen sind und sich viele Fragen stellen, die wir uns auch in dieser Interimszeit stellen und beantworten werden."
Pop-Up-Ausstellungen
Zunächst aber die Frage, ob die Kunst für ganze fünf Jahre weg ist? Man denke nur an den Bestand an Nolde-Bildern und die Expressionisten sowieso die großformatige Ölmalerei Daniel Richters - oder Neo Rauchs. "Ob es nun Neo Rauch sein wird: Es werden Werke immer mal wieder zu sehen sein, aber in einer ganz anderen Form. Es ist schon so: Erstmal sind die Werke nicht mehr zu sehen und werden dann punktuell immer mal wieder gezeigt", erklärt Hüsch.
Dafür suchen sie jetzt und zukünftig nach Orten für Pop-Up-Ausstellungen. Nebenbei läuft die Digitalisierung der Grafik. "Das ist natürlich eine lange Zeit und es ist eine große Herausforderung: ein Museum, das ohne Ort und Sammlung ist und trotzdem weiter in Erscheinung tritt." Es wird ganz sicher nicht langweilig in diesen fünf Jahren, sagt die Kunsthallenleiterin. Sie fühle sich gerade ein bisschen wie auf einer anderen Umlaufbahn: vieles neu und alles spannend.