Gelungene Spendenaktion von Atif Gülücü in Preetz
Atif Gülücüs Heimat Antakya in der Türkei ist vom Erdbeben am 6. Februar stark betroffen. Im Ratssaal von Preetz bot er seine Werke als Spende für die Erdbebenhilfe an - und sammelte insgesamt 10.000 Euro.
Seit fast 45 Jahren lebt Atif Gülücü im schleswig-holsteinischen Preetz. Der in der Türkei, in Antakya, geborene Künstler und Autodidakt hat eine beachtliche Karriere hinter sich. Er war auf mehreren Landesschauen vertreten, auch auf der NordArt in Büdelsdorf. Es gab bundesweit Gruppen- und Einzelausstellungen mit ihm. Kurzum: Der Mann ist erfolgreich. Als am 6. Februar die Erde in seiner Heimat bebte, hat auch Atif Gülücü überlegt, wie er dort helfen könne: Mit Kunst, dachte er sich. Also bot er Ende Februar im Ratssaal von Preetz seine Werke als Spende an. Knapp 8.000 Euro kamen zusammen.
Atelier in Preetzer Altstadt
Auf dem langen Hinterhof in der Preetzer Altstadt muss man sein Atelier suchen. Atif Gülücü arbeitet hier auf engstem und auch etwas kaltem Raum. Weshalb es gleich mal einen echten türkischen Mokka gibt. "Diesen Kaffee habe ich mitgebracht, aus Antakya. Den hat meine Schwester in den Koffer gepackt. Das ist typisch für die Mentalität: Wenn ich wieder zu Hause bin und den Koffer aufmache, dann treffe ich auf diesen Mokka. Das war meine Schwester!", lacht Gülücü.
Gülücü sieht Ähnlichkeiten, nicht Grenzen
Der Preetzer Künstler ist umgeben von Ölfarbtuben, Leinwänden, Papier, Stoff und Fundstücken. Es gibt aber auch zahlreiche Schallplatten - und Verweise auf die Kunst weltweit: die Todesanzeige von Mikis Theodorakis zum Beispiel oder eine seltene Aufnahme der großen Maria Callas, beide ja Griechen. Grenzen, zumal politische, würden ihn wenig interessieren, sagt der türkischstämmige Atif Gülücü mit Blick auf das angespannte Verhältnis beider Länder: "Ich will mich nicht mit den Politikern und ihren Gedanken mischen. Ich lasse mich auch nicht beeinflussen, sondern mein Weg ist für Liebe und Frieden. Schwierig machen es nur die Politiker. Ich von meiner Seite habe nie einen Unterschied gesehen. Wir haben viel Ähnlichkeit", betont Gülücü.
Erdbeben-Opfer im Freundeskreis
Atif Gülücü erzählt vom 6. Februar - und davon, dass sich ihm das Erdbeben eigentlich angekündigt habe. Er zeigt zwei Fotos: eines mit einer jungen Frau, das andere mit einem Gemälde und eben dieser jungen Frau im Alter von sieben Jahren, als Porträt der Schwester seines besten Freundes in Antakya. "Vor drei Monaten ist dieses Gemälde von der Wand gefallen und der Rahmen ist gebrochen", berichtet er. "Mein Freund schickt mir dieses Foto von Suna. Er meinte: Suna und ihre Kinder liegen unter den Trümmern."
Baumängel bereits zu Gülücüs Kindheitstagen
Atif Gülücü erzählt vom heimischen Antakya, und dass er die viel zitierten Baumängel schon in seiner Kindheit erlebt habe. "Die müssen doch einfach Häuser bauen, die geschützt vor den Erdbeben sind", findet er. "Aber jeder baut sein Haus. Sie bekommen die Begehung durch die Stadt, die das erlaubt - und keiner kontrolliert. Daher kommt der Schrott. Das macht mich sehr traurig."
Seine Geburtsstadt sei nahezu komplett zerstört, sagt er: "Über 800.000 Menschen sind weg aus Antakya. Antakya liegt so ähnlich wie eine Stadt aus Spielkarten: Wenn Sie aus Spielkarten Häuser bauen und nur eine mit dem Finger anstoßen, dann fallen alle Häuser zusammen. So sieht Antakya jetzt aus."
Werke innerhalb kurzer Zeit verkauft
Als Ende Februar die 19. Preetzer Kulturnacht anstand, sprach Atif Gülücü vorher mit Bürgermeister und Bürgervorsteher und konnte den Ratssaal für seine Spendenaktion für die Erdbebenopfer-Aktion gewinnen. So standen an dem Wochenende seine Werke wie in einer Galerie - und wollten gekauft werden. "Wir haben die Tür um zehn Uhr geöffnet. Es ist unglaublich: Um elf oder 12 Uhr war der Raum fast leer. Die Leute haben wirklich viel Geld gegeben - sogar mehr, als ich verlangt habe", staunt der Künstler und Spendensammler.
Käufer bringt am Tag darauf zusätzliche Spende
Atif Gülücü hatte für den Spendenvormittag kleine Formate rausgesucht, mit Öl gemalt, 18 mal 24 - 60 Bilder der Serie "Jeden Tag ein neues Fenster". Dazu kamen 22 Collagen und Landschaftsmalerei von einer Reise nach Lanzarote. Ein Preetzer habe dann ein größeres Bild gekauft. Der sei aber am nächsten Tag nochmal ins Atelier gekommen. "Er sagte: 'Herr Gülücü, ich habe gestern ein Bild von Ihnen gekauft. Ich habe 250 Euro gespendet.' Dann habe gesagt: 'Ja, ich bin sehr dankbar.' Dann aber gab er mir einen Briefumschlag. Er meinte, dass er dieses Kunstwerk sehr, sehr billig gekauft habe. Er gab mir zusätzlich 200 Euro", berichtet Gücülü.
10.000 Euro für Erdbebenhilfe aus Preetz
Die Preetzer waren großzügig. Die Stadt rundete auf. So standen am Ende 10.000 Euro für die Erdbebenhilfe. Atif Gülücü geht jetzt erst einmal die nächste Ausstellung an: Ab April wächst im Kloster Cismar seine "Literarische Blumenwiese", als Installation mit 1.800 Draht-Blumen. Seine Gedanken aber sind in der Heimat, wo es drei Tage gedauert habe, bis Hilfe gekommen sei. Es ist ganz sicher nicht das letzte Mal gewesen, sagt Atif Gülücü, "weil Antakya ein Erdbebenzentrum ist. Das wird immer wieder passieren!"