Neue Chance für Ihme-Zentrum: Betonburg verwandelt sich in "Open-Air-Galerie"
Mit einer Installation des Fotografen Uwe Stelter an einer Wand des Ihme-Zentrums startet Ende April eine neue Outdoor-Galerie in Hannover. Schon jetzt gibt es im Gebäude Kultur: Die Agentur für kreative Zwischenraumnutzung hat leerstehende Räume in eine Kulturetage verwandelt.
Allein im vergangenen Jahr hat die Agentur für kreative Zwischenraumnutzung 77 Arbeitsräume vermittelt. Auch das Theaterkollektiv "Agentur für Weltverbesserungspläne" profitiert davon. In einem ehemaligen Büro des Ihme-Zentrum läuft die Vorstellung "Perfekt 3.000", eine Abrechnung mit dem Schönheitswahn unserer Zeit.
Die zwei Räume, in denen gespielt wird, gehören zur sogenannten Kulturetage. Insgesamt 18 Zimmer im heruntergekommenen Büro- und Wohnkomplex in Hannover sind vermietet.
Der Theatergruppe "Agentur für Weltverbesserungspläne" kommt das entgegen, sagt Ulrike Willberg aus dem Leitungsteam. "Wir inszenieren die unterschiedlichsten Alltagsräume wie Ladenlokale, Industriebrachen, Leerstände, Werkstätten und Kirchen. Jetzt sind wir auf der Kulturetage ansässig. Es ist insofern ein Luxus, als dass wir Proben- und Aufführungsräume an einem Ort haben." Sie müssten nicht für jede Vorstellung auf- und abbauen und nicht extra noch Lagerräume und Probenräume anmieten, erklärt Willberg.
Die Miete ist günstig, der Nachteil ist, dass der Investor, dem das Ihme-Zentrum gehört, insolvent ist. Sie säßen auf einem Sprengsatz, sagt die Theatermacherin, mit dem Mieten könne es schnell vorbei sein, wenn sich die Besitzverhältnisse ändern. Das ist ein Problem, wenn man dem Publikum schon einen Ort angekündigt hat. Und auch Fördergelder hängen da dran. In ihrem Förderprogramm sei vorgeschrieben, dass sie mindestens zehn Vorstellungen spielen müssen.
Suche nach Leerstand ist nicht immer leicht
Im Büro der Agentur für kreative Zwischenraumnutzung in der Innenstadt von Hannover hat Ingrid Wagemann das Jahrbuch 2023 aufgeschlagen. Zu sehen sind alte Fabrikgebäude, Büros und Wohnungen, die zu Ateliers und Theaterräumen geworden sind. Wände mit Patina, sie sind wie geschaffen für eine Ausstellung mit künstlerischer Fotografie. 2.000 Quadratmeter konnte die Agentur 2023 zur Verfügung stellen, 260 Kulturschaffende profitierten davon.
Doch die Suche nach Objekten sei zäh, sagt Ingrid Wagemann. "Bei den privaten Eigentümern ist es sehr schwierig, sie zu erreichen. Wenn man sie erreicht hat, muss man sie davon überzeugen, dass das eine tolle Sache ist. Sie denken zum einen: 'Oh Gott, wenn da was passiert, bin ich dann schuld?' Wir sagen immer, wir haben eine Versicherung und die Versicherung zahlt und haftet auch für das, was in den Räumen passiert." Sie seien auch sehr verbindlich im Umgang, auf sie könne man sich verlassen. "Die Mieten werden auch regelmäßig überwiesen", sagt Wagemann.
Leerstehende Ladenflächen eines Kaufhauses werden genutzt
Auch die Gesellschaft hat etwas davon. Das lässt sich derzeit beim Projekt Aufhof in Hannover beobachten. Seit dem letzten Sommer werden die leerstehenden Ladenflächen eines großen Kaufhauses in der Einkaufszone für Veranstaltungen, Vorträge und Diskussionen zu kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Fragen genutzt.
Das belebt die Innenstadt, und es hat auch einen wirtschaftlichen Aspekt. "Wenn wir ein Ladengeschäft haben, an einem guten Standort, da gibt es hier auch viele, die leer stehen, dann hat es eine sehr positive Aufmerksamkeit, wenn da die Künstlerinnen und Künstler sind. Dann ist es sehr oft so, dass dieser Laden hinterher auch relativ schnell wieder an Neue vergeben wird. Das ist das, was wir wollen", sagt Ingrid Wagemann. Sie und die Agentur für kreative Zwischenraumnutzung wolle den Leerstand als einen Möglichkeitsraum erschließen.