Modular, nachhaltig und preisgekrönt: Das Studierendenhaus in Braunschweig

Stand: 26.08.2024 06:00 Uhr

Das Studierendenhaus der TU Braunschweig, von Gustav Düsing und Max Hacke entworfen und zwischen 2020 und 2022 erbaut, besteht vor allem aus Glas, Stahl und Holz. Die Bauteile wurden so konzipiert, dass sie wiederverwendet oder recycelt werden können.

von Stefan Mühlenhoff

Es ist ein Haus, das einfach nur einen Rahmen bildet, das nichts vorgibt. Für Menschen, die darin tun, was auch immer sie möchten. Oder davor. Wer kann das schon so genau sagen? "Wenn man so etwas anfängt zu planen, hat man eine gewisse Vorstellung von den Dingen - und wir haben uns ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt", sagt einer der beiden Architekten, Gustav Düsing. "Es war ein bisschen auch die Frage: Funktioniert das wirklich so, wie wir uns das vorstellen? Wird der Raum am Ende angenommen? Braucht es wirklich so einen undefinierten Raum, der eigentlich nichts bereithält, außer gute Akustik und einen schönen Blick in die Landschaft?"

Studierendenhaus soll Gemeinschaftsgefühl stärken

Das Studierendenhaus der Technischen Universität Braunschweig war für seine beiden Architekten ein Experiment. Treffpunkt soll es sein - und Lernort zugleich. Ein Knotenpunkt, mitten auf dem Campus. "Wir wollten, dass alle Studierenden gemeinsam in einem Raum sitzen. Das Gebäude ist für circa 200 Studierende entwickelt, also eine relativ große Gruppe von Menschen", erklärt Architekt Max Hacke. "Dennoch waren wir der Meinung, dass so ein Bauvolumen auch so eine Gruppe halten und vielleicht dazu führen kann, dass ein Gefühl von Gemeinschaft entsteht."

Der offene Innenraum erstreckt sich über zwei Geschosse. Er wird durch Treppen, Brücken und Geländer strukturiert. Es gibt zahlreiche Wege hinein, hindurch und hinaus. "Man kann dieses Gebäude von einer Seite durch das andere durchlaufen. Auch deshalb gibt es an jeder Seite des Gebäudes mehrere Eingänge. Das Gleiche gilt für die Treppen. Man kann in jede Richtung nach oben laufen und die Idee ist, dass Schnittstellen und Begegnungen zwischen Studierenden möglichst oft passieren", erläutert Hacke das Konzept.

Der Raum lässt sich nach Belieben unterteilen. Gruppen finden Platz zum Austausch und wer Ruhe sucht, kann sich hinter Stellwänden zurückziehen - oder hinter einem Vorhang. "Man kann diese Vorhänge aufziehen und zuziehen und dadurch neue, kleine Nischen schaffen und dadurch den Raum immer mehr kreieren", sagt Düsing. "Auf der anderen Seite haben sie auch den Effekt, dass sie den Schall schlucken."

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Ein Gebäude wie ein Märklin-Baukasten

Im Gegensatz zur Bibliothek, in der Schweigepflicht herrscht, sind Gespräche und Gruppenarbeit hier ausdrücklich erwünscht. "Wir versuchen natürlich, in einer gewissen Lautstärke zu reden. Das versuchen eigentlich alle. Hier und da sind die Tische auch weit genug auseinander, dass das gut klappt. Irgendwie entsteht hier eine sehr gute Arbeitsatmosphäre. Wir kommen sehr gerne zum Lernen", findet die Studentin Anna Stech. Der Student Amin Zine el Abidine sieht das ähnlich: "Ich persönlich brauche, wenn ich rechnen muss, ein bisschen Ruhe. Dann ist es nicht so vorteilhaft. Aber vor der Klausur zusammenzukommen und dann zu lernen: Das ist super hier."

Die Flexibilität des Gebäudes zeigt sich auch in seiner Konstruktion. Die Grundlage bildet ein Gerüst aus stählernen Stützen und Trägern. Nichts wurde verklebt - alles verschraubt. Man könnte das Haus auch wieder abbauen und die Teile anders verwenden. "Es ist ein sehr enges Raster, in dem immer die gleichen zehn Zentimeter großen Stützen stehen. In dieses dreidimensionale Raster werden dann Plattformen, Brücken und Treppen eingehängt", erklärt Düsing. "Eine Holzplatte wird eingesetzt, liegt da einfach auf und kann entsprechend auch einfach wieder rausgedrückt werden. Das ist das, was dabei unterstützt, diese Bauteile weiter zu verwenden. Das ist wie ein Märklin-Baukasten."

Modulares Bauen als nachhaltiges Bauen der Zukunft?

"Man kann so weit gehen und darüber nachdenken, wie es wäre, wenn alle Gebäude so oder in ähnlicher Art und Weise gebaut werden, dass sie wieder auseinandergenommen werden können und dass Materialien in einen zirkulären, größeren Kreislauf wieder zurückgeführt werden können", sagt Hacke. "Was passiert, wenn man ein ganzes Gebäude woanders hinbringt? Was passiert mit einem Bau, wenn er plötzlich in einer anderen Stadt steht, an einem anderen Ort, vielleicht mit einem anderen Zweck?"

Mit ihrem nachhaltigem Ansatz treffen die beiden Architekten den Zeitgeist. Mehrfach wurden sie für das Studierendenhaus ausgezeichnet, zuletzt mit dem renommierten Mies-van-der-Rohe-Preis, vergeben von der EU. "Ich bin sehr interessiert an Technik und Architektur. Ich studiere selbst Maschinenbau", erzählt der Student Bourgeoy Laurent Ngoko Tume. "Dann hat mir eine Freundin gesagt, dass die beiden das gebaut haben, und dann dachte ich mir, ich muss absolut ein Foto mit den beiden machen, weil ich das faszinierend finde."

Gustav Düsing und Max Hacke haben ein Haus entworfen, das man umbauen, abbauen oder anderswo wieder aufbauen kann. So könnte es am Ende vielleicht viel länger Bestand haben als manch massives Monument der Vergangenheit.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur - Das Journal | 26.08.2024 | 22:45 Uhr

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