Blick nach vorne statt zurück: So rüsten sich Museen für die Zukunft
In Aschaffenburg findet derzeit die alljährliche Konferenz des Deutschen Museumsbundes statt. Museumsleute aus ganz Deutschland setzten dabei wichtige Impulse für die Museumsarbeit. Etwa, wie Museen gut durch Krisen kommen können.
Die Coronazeit war so eine Krise, deren Folgen sich noch immer auswirken. Vielen Ausstellungshäusern ist es zum Beispiel noch immer nicht gelungen, weggebrochene Besucherzahlen auf Vor-Corona-Niveau zurückzubringen. Wie also Menschen ins Museums locken? Nicht nur angesichts der Corona-Nachwirkungen sind mehr denn je kreative Ideen gefragt. Das Schlossmuseum Wolfenbüttel ist so ein Haus, das - wie viele andere Museen in Norddeutschland auch - abseits klassischer Weisen denkt, um Menschen anzusprechen.
Schlossmuseum Wolfenbüttel führt in die Zeit des Barock
Gewebte Seidentapeten, schwere Teppiche am Boden, Gobelins an den Wänden. Es riecht nach Möbelpolitur, Staub, Wachs und Holz. Unter den Füßen knarzen alte Eichendielen. Das Schlossmuseum Wolfenbüttel versetzt Besucherinnen und Besucher mitten in die Zeit des Barock. Die Kabinette waren jahrhundertelang Residenz der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg. Die Räume sind, samt historischer Möbel, weitgehend im Originalzustand erhalten.
"Nur das Alte zu zeigen, reicht nicht mehr aus"
Eintauchen in die Atmosphäre des 17. und 18. Jahrhunderts ist das eine. Denn das klassische historische Museum schaut längst nicht mehr nur in die Geschichte zurück, sagt der stellvertretende Museumsleiter Markus Gröchtemeier: "Letztendlich schwebt man in zwei Welten. Einmal die Zeit Anton Ulrichs - mit Originalen. Und das andere ist ein interessanter Sonderausstellungsbereich: dort dann interessante moderne Themen. Nur das Alte zu zeigen, das reicht heutzutage nicht mehr aus."
Künstliche Intelligenz als Sonderausstellung
In seinem Sonderausstellungsbereich widmet sich das Schlossmuseum Wolfenbüttel immer wieder auch zeitgenössischen und Zukunftsthemen. Derzeit ist es eine Schau, die sich mit der momentan vielfach diskutieren KI, der künstlichen Intelligenz, auseinandersetzt. "Ein revolutionäres Werkzeug, das uns Nutzen bringt - oder eine Bedrohung, die ins Verderben stürzt? Das ist ein bisschen die Frage", sagt Historiker Gröchtemeier. "KI steht noch ganz am Anfang und stößt bei vielen Menschen auf große Skepsis. Mit dieser Ausstellung wollen wir Orientierung und Hilfsmittel zum Verstehen geben. Das ist der Hauptansatz."
Eigene Akzente setzen
Museumspädagogisch passiert das aber nicht völlig abgesetzt zu sonstigen Museumsinhalten - so zeigt die Schau beispielsweise auf, wie KI bei der Restaurierung alter Kunstwerke helfen kann. Oder zeigt spielerisch auf, wie verblüffend gut, oder eben schlecht KI Maltechniken des Barock imitiert. Ansonsten aber ist es laut dem stellvertretenden Museumsleiter Gröchtemeier völlig legitim, ja essenziell, wenn Museen abseits der Kernthemen eigene Akzente setzen. Und zwar mit Themen, die das Publikum interessieren.
Insekten und Hexen: "Es gibt immer Themen, die ziehen einfach"
"Es gibt immer Themen, die ziehen ganz einfach", erklärt Gröchtemeier. "Manchmal Themen, die gar nicht so präsent sind. In Rinteln zum Beispiel gab es eine Insektenausstellung. Da denkt jeder: Wer guckt sich das an? Aber das war wirklich der Renner. Das sind alles Möglichkeiten, was zu erreichen. Wir haben es gemerkt: Wir haben letztes Jahr einen Besucherrekord aufgestellt - mit dem Thema Hexen. Das hat unheimlichen Zustrom gebracht."
Schlossmuseum macht nicht bei allem mit
Populäres bieten: ja. Anbiederung beim Publikum: nein. Publikumsschauen auf Teufel kommt raus - das ist es nicht, was die Museumsmacher aus dem Schloss Wolfenbüttel antreibt: "Will man jetzt auf die Zahlen gucken? Will man am Ende des Jahres möglichst viel, um zu sagen, das ist interessant bei uns? Will man Themen spielen, die die Leute anlocken? Oder sagt man, ich baue lieber das aus, was ich habe?", so Gröchtemeier. "Wir machen nicht bei jedem Thema mit, nur um am Ende des Jahres zu sagen: Wir hatten so und so viele Besucher. Man sollte auch auf die Qualität achten. Man sollte darauf achten, was sind die Themen der nächsten Jahre? Aber man sollte nicht anfangen, ein Thema zu spielen, nur damit am Ende des Jahres besonders viele Leute reinkommen."
"Wer überleben möchte, muss in die Zukunft schauen"
Ganz zu ignorieren, dass es das althergebrachte Museumspublikum längst in der Form nicht mehr gibt, und auch nie mehr geben wird, das ist für Museumsmann Gröchtemeier jedenfalls keine Lösung. Wer als Museum überleben möchte, darf in diesem Sinne eben nicht nur zurückschauen, sondern muss die Zukunft fest im Blick behalten. "Themen, die interessant sind, versucht man modern aufzuarbeiten", sagt er. "Es hilft nichts, wissenschaftliche Texte zu schreiben, die den Museumsbesucher nicht interessieren. Man muss auch immer zielgerichtet gucken: Ist es verständlich erklärt? Man muss ein Angebot für Schülerinnen und Schüler parat halten, für junge Menschen - das Publikum unserer Zukunft! Aber auch da soll man nicht über jeden Stock springen, um die Menschen ins Museum zu bekommen."