Aktmalerei abgehängt: Zensur in Achimer Rathaus?
In der niedersächsischen Stadt Achim hat ein lokaler Malkurs das Thema "Der männliche Akt" gewählt. Die Bilder sollten im Rathaus ausgestellt werden, doch schon nach kurzer Zeit waren sie verschwunden.
Als Vorlage für ihre sieben Kursteilnehmer wählte die Leiterin, die Achimer Künstlerin Brigitte Gläsel, gezielt eine Grafik von Albrecht Dürer als Vorlage: "Ich schätze Albrecht Dürer. Da konnte man auch sehr schön sehen, wie der männliche Körper eigentlich aufgebaut ist." Die Kursteilnehmer wandelten die Schwarz-Weiß-Vorlage in viel größere farbige Gemälde um. "Die haben gesagt: Oh, männlicher Akt, das ist ja ganz was anderes als ein weiblicher Akt. Aber die haben sich darauf eingelassen und das freut mich", erzählt Gläsel.
Männliche Akte "ungeeignet" fürs Achimer Rathaus?
Die sieben Arbeiten der Erwachsenenkurse der Kunstschule Achim sollten dann - wie in den Jahren zuvor - mehrere Wochen im Rathaus ausgestellt werden. Doch dort, rechts und links des Ratssaals, hingen die Männerakte nur wenige Stunden. Brigitte Gläsel erhielt dazu später einen Anruf aus dem Rathaus, sagt sie: "Zwei oder drei Stunden später wurde ich informiert: Weißt du, dass deine Bilder abgehängt worden sind? Ich sagte: Wie bitte!? Ich war so geschockt über diese Art von Willkür und Übergriffigkeit, dass es mir heute noch die Sprache verschlägt!"
Die Bilder der Hobbymaler waren abgehängt und in einem separaten Raum verschlossen worden. Für eine Stellungnahme waren für den NDR - auch nach wiederholter Nachfrage - weder der Bürgermeister oder sein Pressesprecher noch der Kunstverein als Veranstalter der Ausstellung zu erreichen. Schriftlich teilte die Stadt Achim mit: "Aus den genannten Gründen halten wir die Aktmotive für unser Haus für ebenso ungeeignet wie zum Beispiel explizit dargestellte Gewalt oder Ähnliches."
Der Kursleiterin wurde das etwas anders erklärt: "Die sollten wegbleiben, weil das angeblich sittenwidrig sei und unangemessen fürs Rathaus - schließlich sei das Rathaus keine Galerie. Da könnte man die zeigen, aber im Rathaus gingen Leute ein und aus, weil sie irgendwelche Aufträge zu erledigen haben und nicht, um Kunst zu sehen."
Weibliche Akte wurden zuvor nicht beanstandet
Eine ähnliche Ausstellung mit weiblichen Akten vor zwei Jahren wurde dagegen völlig unbeanstandet mehrere Wochen im Rathaus gezeigt. Hier sei grundsätzlich etwas ganz falsch gelaufen, sagt Gläsel: "Die Freiheit der Kunst ist doch ein Grundrecht - wie kommt das, dass hier so willkürlich gehandelt wird? Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das machte mich sprachlos!" Eine letzte Chance, die umstrittenen Bilder der Hobbymaler zu sehen, gibt es noch bis einschließlich Samstag in der Galerie Atelier Kunstraum in Achim.
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