Aktmalerei abgehängt: Zensur in Achimer Rathaus?
In der niedersächsischen Stadt Achim hat ein lokaler Malkurs das Thema "Der männliche Akt" gewählt. Die Bilder waren kurz im Rathaus ausgestellt, dann wurden sie abgehängt. Den Vorwurf der Willkür und der Übergriffigkeit weist die Stadt zurück.
Die Arbeiten des Erwachsenenkurses der Kunstschule Achim sollten - wie in den Jahren zuvor - mehrere Wochen im Rathaus ausgestellt werden. Doch dort, rechts und links des Ratssaals, hingen die Männerakte nur wenige Stunden. Die Leiterin des Kurses, Brigitte Gläsel, berichtet von einem Anruf aus dem Rathaus: "Zwei oder drei Stunden später wurde ich informiert: 'Weißt du, dass deine Bilder abgehängt worden sind?' Ich war so geschockt über diese Art von Willkür und Übergriffigkeit, dass es mir heute noch die Sprache verschlägt!"
Die Bilder der Hobbymaler waren abgehängt und in einem separaten Raum verschlossen worden. Das Rathaus sei keine Galerie, kein Kunstmuseum und kein reiner Ausstellungsraum im eigentlichen Sinne, teilte ein Stadtsprecher dem NDR schriftlich mit: "Multikulturelle und ältere Besucher, sowie insbesondere Kinder" würden "beim bloßen Vorbeigehen" nicht mit zum Beispiel expliziten Darstellungen rechnen - vielmehr würden sie in einem Verwaltungsgebäude davon "unfreiwillig überrascht und möglicherweise irritiert".
Stadt räumt Fehler ein, pocht aber auf Hausrecht
Zugleich räumte die Stadt auch eigenes Fehlverhalten ein. Bereits bei der Ankündigung des Kunstvereins habe man die Bilder als "unangemessen" eingeordnet. Diese Entscheidung sei dem Kunstverein nicht rechtzeitig kommuniziert worden, sodass dieser eigenständig die Bilder aufgehängt habe: "Letztlich hätten sie aber gar nicht erst aufgehängt werden dürfen, weil wir sie nicht ausstellen wollten. Den Schuh, dass die In-Empfangnahme nicht geklappt hat, müssen wir uns anziehen, nicht aber, dass wir Kunstfreiheit einschränken wollen. Die Kunstfreiheit ist in den Augen der Verwaltung wie die Meinungsfreiheit ein hohes Gut, das es zu schützen und zu wahren gilt."
Da es sich bei dem Angebot von Ausstellungsflächen nicht um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben handele, sondern um das zur Verfügungstellen des Eigentums, gilt hier primär das Hausrecht. Das Rathaus sei ein öffentliches Behördengebäude und keine Kunstgalerie, obgleich auch ein Galerist selbst entscheide, welche Künstler und welche Werke er ausstellen möchte, hieß es in dem Statement der Stadt Achim.
Akte basieren auf einer Dürer-Grafik
Als Vorlage für ihre sieben Kursteilnehmer wählte die Leiterin, die Achimer Künstlerin Brigitte Gläsel, gezielt eine Grafik von Albrecht Dürer: "Ich schätze Albrecht Dürer. Da konnte man auch sehr schön sehen, wie der männliche Körper eigentlich aufgebaut ist." Die Kursteilnehmer wandelten die Schwarz-Weiß-Vorlage in viel größere farbige Gemälde um. "Die haben gesagt: Oh, männlicher Akt, das ist ja ganz was anderes als ein weiblicher Akt. Aber die haben sich darauf eingelassen und das freut mich", erzählt Gläsel.
Weibliche Akte wurden zuvor nicht beanstandet
Eine ähnliche Ausstellung mit weiblichen Akten vor zwei Jahren wurde dagegen völlig unbeanstandet mehrere Wochen im Rathaus gezeigt. Die Stadt will nun überprüfen, "ob wir weiterhin daran festhalten werden, quasi allen Interessierten die Möglichkeit einzuräumen, hier kostenlos über lange Zeiträume auf allen Fluren in unserem Gebäude ihre Werke ausstellen zu dürfen oder ob wir die Regelungen dafür in bestimmten Parametern ändern."
Eine letzte Chance, die umstrittenen Bilder der Hobbymaler zu sehen, gibt es noch bis einschließlich Sonntag in der Galerie Atelier Kunstraum in Achim.