SprachOper in Rostock: Demenzkranke bekommen eine Stimme
Die "SprachOper - Unvergessen Hörbar" soll dabei helfen, die Erkrankung Demenz und Betroffene besser zu verstehen. Am Mittwoch wurde die Installation in der Kunsthalle Rostock eröffnet.
Es klingt wie lautes, schwer verständliches Rufen, das aus einem Lautsprecher kommt. Das ist die SprachOper von Künstler Peter Tucholski. Man muss schon genau hinhören, und auch dann bleibt die Welt eher schleierhaft und wirr, mal laut, mal leise, mal inbrünstig und dann abrupt lustig und leicht.
Es sind kleine Audioschnipsel von Alzheimererkrankten, die hier zu hören sind - arrangiert zu einem Kunstwerk, einer Art Oper. Hinter dem Projekt steht die Alzheimer Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. Die "SprachOper - Unvergessen Hörbar" soll dabei helfen, die Erkrankung Demenz besser zu verstehen und auch die Menschen mit dieser Krankheit besser zu verstehen, erzählt Sina Jankowiak: "Eine unserer Aufgaben ist es, über Demenz aufzuklären - Öffentlichkeitsarbeit zu machen, zu sensibilisieren und Stigmata abzubauen. Wir wollten das auf eine künstlerische Art und Weise machen, um mal ganz andere Leute anzusprechen und ihnen das Thema nahezubringen. Da war die Idee, mal über das Ohr zu gehen - über das Ohr ins Herz. Um den Menschen mit Demenz eine Stimme zu geben, sie zu verstehen und ihnen auch nahe sein zu können."
Kunst aus aufgenommenen Alltagsgesprächen
Die Aufnahmen für die "SprachOper" sind im Alltag entstanden. Angehörige der an Demenz erkrankten Menschen bekamen Mikrofone und konnten damit Gespräche am Küchentisch, auf dem Sofa oder in der Pflegeeinrichtung mitschneiden. Natürlich mit dem Einverständnis der Betroffenen, die durchweg begeistert auf das Projekt reagiert hätten, erzählt Sina Jankowiak von der Alzheimer Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. Rund 40 Aufnahmen wurden schlussendlich in die "SprachOper" eingebaut. "Man darf die Gespräche nicht aus dem Kontext reißen", erläutert Sina Jankowiak. "Wenn ich jetzt diesen Sprachschnipsel rausziehe, ist es aus dem Kontext und vermittelt vielleicht was ganz anderes, was die Person gar nicht wollte. Wir hatten wirklich die Menschen mit Demenz im Fokus."
Fokus auf dem Hörerlebnis
Der Ausstellungsraum ist grell-weiß und viereckig. Hohe Decken mit Fenstern, die den Blick in die Wolken lenken. Am Boden hat der Künstler Peter Tucholski seine Installation in einem Kreis angeordnet. Acht blumenähnliche Objekte - sogenannte Sprachrohre - verbunden durch einen stabilen Schlauch. Ihre Blüten sehen ein bisschen aus, wie Lampenschirme. "Wenn man sie leicht berührt, fangen sie an, in Schwingung zu geraten und kriegen was Figuratives. Wie ein Mensch, der sich leicht berührt", beschreibt Peter Tucholski sein Werk. "Da drin ist ein Lautsprecher, quasi die Ohren, weil wir uns hier auf das Hören konzentriert haben, was die sinnliche Wahrnehmung anbelangt." Man müsse auch gar nicht alles wortwörtlich verstehen. Wie bei einer Oper in einer fremden Sprache sei die Emotionalität das Entscheidende, ergänzt der Klangkünstler.
Mit Demenz geht die Sprache verloren
"Unvergessen Hörbar" heißt es im Titel der Ausstellung. Mit dem Projekt wird vor allem den Angehörigen von Demenz-Patienten eine Art Erinnerung geschaffen. Das ist für die Projektleiterin Kathleen Schluricke von der Alzheimer Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommern besonders wichtig: "Sprache ist für uns, für die Kommunikation und das Miteinander ein zentraler Aspekt. Bei der Demenzerkrankung geht die Sprache aber sukzessive verloren. Die Funktion und die Bedeutung schwinden und somit auch die Möglichkeit, verbal miteinander zu kommunizieren."
Viele erkennen Parallelen zu eigenen Erfahrungen
Während der Ausstellungszeit können Besucher mit dem Team der Alzheimer Gesellschaft ins Gespräch kommen. Was sagen die Besucherinnen des Eröffnungsabends? Haben sie sich so eine SprachOper vorgestellt? "Tatsächlich nicht", sagt ein Mann in der Menge, "ich hatte gedacht, dass es mehr einen Opern-Fokus gibt, eher was Musikalisches. Aber es war jetzt auch nicht schlecht. Man hat quasi in den Gesprächen mitgehört, wie die Personen, die Demenz haben, die Umwelt wahrnehmen."
Eine andere Besucherin ist sehr berührt: "Meine Mutti ist dement gewesen. Ich habe einige Dinge davon selbst miterlebt. Bei einigen Sequenzen hatte ich das Bedürfnis, zu wissen, wie es dann weitergeht. Aber so ist es: Manchmal ist der Schnitt da und dann ist wieder was ganz anderes aktuell. So hab ich es auch erlebt."
Die Rostocker Kunsthalle öffnet einen Zugang zur Welt der Demenz, die gerade mit der alternden Bevölkerung immer mehr an Relevanz gewinnt.
Die Ausstellung mit der Installation ist noch bis Sonntag täglich von 14 bis 17 Uhr in der Kunsthalle Rostock zu sehen - und zu hören.