Helmut Senf: Auch mit 90 noch jeden Tag am Arbeitstisch
Künstler leben länger. Helmut Senf ist der Beweis: Maler, Gestalter, Plastiker. Seine Kunstwerke stehen deutschlandweit im öffentlichen Raum und in Museen. Seit mehr als 30 Jahren lebt er in Sassnitz auf Rügen. Nun ist er 90 Jahre alt geworden.
"Das ist die Polizeidirektion Pasewalk, fürs Foyer", sagt Helmut Senf. "Das ist eine Arbeit in Saarbrücken, das ist in Erfurt, das ist in Bielefeld. Das ist bei der Versicherung Mecklenburg-Vorpommern im Innenraum, große Edelstahlarbeit. Das steht hier im Garten. Schade, dass es so regnet."
Der Garten öffnet sich hinter einem großen Atelierfenster. Überall liegen und stehen seine Plastiken: rostige Metallflächen, farbige Emaille, Edelstahl. Helmut Senf blättert in einer Mappe. Ein Foto zeigt eine rote Metallkonstruktion vor der Berliner Kongresshalle. "Das ist eine Ausstellung zu DDR-Zeiten - da haben wir in Westberlin ausgestellt, die Metallgestalter aus der DDR. Das gab's. Das war für uns natürlich toll: Wir hatten ein Dauervisum nach Westberlin", erzählt Helmut Senf.
Konkrete Kunst in der DDR: Kunst, die es nicht gab
Nur wenige Künstler haben sich in der DDR mit konkreter Kunst beschäftigt, eine Kunstform, die ausgesprochen rational mit geometrischen Grundformen und Farbflächenteilungen arbeitet. Als vom Bauhaus inspiriert galt das den DDR-Funktionären als zu amerikanisch. "Das ist eine Kunst, die sich mit sich selber beschäftigt", erklärt Senf. "Sie hat kein Thema. Malerischer Ausdruck ist nicht nötig. Es sind Flächen, Farben, Formen, die in einer gewissen Ordnung zueinander stehen. Gleich nach der Wende gab es eine Ausstellung mit Künstlern der DDR, die so gearbeitet haben, aber es immer in der Schublade behalten haben. Das war in Zürich, die hieß 'Kunst, die es nicht gab'."
Zu verdanken hat Helmut Senf seinen künstlerischen Weg einer freundlichen Intrige, sagt er. Eigentlich wollte er Malerei studieren, landete aber auf der Liste der Metallformgestalter an der Burg Giebichenstein und nahm es als Fügung: "Es hat sich so ergeben. Wir hatten eine Ausstellung, da sollten wir alle ein Statement abgeben. Es ging darum, warum man hier ist. Meine Zeile war nur: Es hat sich so ergeben", erzählt der Künstler.
Helmut Senf: Bis ins hohe Alter als Lehrer tätig
Das stimmt nur ein bisschen. Das künstlerische Leben von Helmut Senf war bestimmt von zielorientiertem Fleiß, Tatkraft und Vorbildern. "Gemalt und gezeichnet habe ich immer. Das war sehr wichtig. Wir hatten einen sehr guten Lehrer, das war Willi Sitte", berichtet Senf. "Bei dem hatten wir das Grundstudium und das war eine sehr gründliche Ausbildung."
Helmut Senf gehört zu den Mitbegründern der Erfurter Ateliergemeinschaft, die schon in den 1960er-Jahren alternative Ausstellungen realisierte. Neben seiner künstlerischen Arbeit unterrichtete er zuerst an der Burg Giebichenstein Halle, später an der Hochschule Wismar. "Das Vermitteln habe ich immer gern gemacht. Vor vier Jahren habe ich Schluss gemacht, weil ich dachte, irgendwann muss das auch zu Ende gehen - obwohl mir das immer viel Spaß gemacht hat mit jungen Leuten zu arbeiten."
Auch mit 90 noch jeden Tag am Arbeiten
1990 zog er mit seiner Frau Irmgard in das Haus in Sassnitz. Das hieß: künstlerischer Neustart in Mecklenburg-Vorpommern. "In Erfurt besuchten mich namhafte Leute, auch Museumsdirektoren, weil die meine Arbeiten aus irgendwelchen Katalogen kannten. Ich war im Grunde genommen nicht unbekannt. Heute merke ich ganz deutlich, dass man in der Peripherie lebt."
Helmut Senf gilt mit seiner Kunst bis heute in dem nördlichen Bundesland als Solitär. Von hier aus hat er deutschlandweit Wettbewerbe gewonnen und überregional viele Ausstellungen realisiert. 2008 wurde er Kulturpreisträger der Kulturstiftung Rügen. Noch heute sitzt er jeden Tag an seinem Arbeitstisch. "Irgendwas gestalten - ich kann eigentlich nicht damit aufhören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das mal lasse", sagt er. "Ich brauche meinen Rahmen, in dem ich meine vier Wände habe, wo ich meine Sachen zusammen habe. Eine kleine Werkstatt, wo man auch metallisch arbeiten kann. Das ist es eigentlich. Man muss wahrscheinlich Ideen haben - und gern mit jungen Leuten arbeiten."
So wird man 100 Jahre alt. Mittwoch hat Helmut Senf mit Töchtern, Enkeln, Enkelinnen und Freunden seinen 90. Geburtstag gefeiert. Mitte September wird die Galerie Circus Eins in Putbus eine Ausstellung mit seinen Arbeiten zeigen.